05.06.2003

Bildung braucht mehr Lobby

Lebhafte Diskussionsrunde mit den Landespolitikern Peter Eichstädt und Lothar Hay über „Schule heute und morgen“: Peter Eichstädt und Lothar Hay nahmen eine Menge Anregungen aus der Runde, die von den mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern überwiegend positiv bewertet wurde, mit nach Kiel, um sie in die Debatten der Fraktion einzubringen.

„Bildung kostet Geld – diese Einsicht muss sich durchsetzen!“ „Die äußeren Rahmenbedingungen müssen besser werden.“ „Die Art der Unterrichtsgestaltung muss sich ändern.“ „Es muss möglich werden, Lehrern ein Feedback über ihren Unterricht zu geben.“ Diese Aussagen verdeutlichen die Themen, die in der Gesprächsrunde „Schule heute – Schule morgen: Wie kann sich Schule weiterentwickeln?“ angesprochen wurden. Eingeladen hatte der SPD-Abgeordnete des Wahlkreises Lauenburg-Nord, Peter Eichstädt. An der lebhaften Diskussionsrunde mit Schülern, Lehrern und Eltern in der Begegnungsstätte Lohberger Gang in Mölln nahm auch der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Lothar Hay, teil.

Ein Aspekt der Diskussion war das Verhältnis von Lehrern und Schülern. Es wurde die „Allmacht“ der Lehrer beklagt und von Schülern der Wunsch geäußert, es solle möglich sein, einem Lehrer gegenüber auch Kritik zu äußern, die – etwa bei Demütigungen von Schülern – auch zu Konsequenzen führen müsse. In der Regel seien Lehrer nicht bereit, sich mit Schülern darüber auseinander zu setzen, warum diese schlechte Noten hätten. Allerdings, wurde eingeräumt, könne man das Spannungsverhältnis Lehrer – Schüler nicht per Verordnung verändern. Ein Lehrer sprach sich für Ganztagsschulangebote aus, „denn ich brauche in der Schule eine Insel, wo ich den Schülern nicht als Lehrer gegenüber trete“.

„Die Kinder haben sich verändert, deshalb muss auch die Schule sich verändern“, hieß es. Ein Grundschulrektor bestätigte diese Feststellung, dass es – auch, weil viele Eltern sich den Kindergartenbesuch ihrer Sprösslinge nicht mehr leisten könnten – mehr verhaltensauffällige Kinder gebe, was mehr Erziehungsarbeit für Lehrer zur Folge hätte. „Die nordischen Länder, die bei der Schulstudie PISA so gut abgeschnitten haben, haben auch Erzieher und Sozialpädagogen an ihren Schulen“, wurde angemerkt.

Lothar Hay gab zu bedenken, dass die erfolgreichen Schulsysteme unserer nördlichen Nachbarn nicht eins zu eins übertragbar seien: „In Finnland und Schweden beispielsweise hat über Jahrzehnte eine andere gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung stattgefunden. Dort hat – genau wie in Großbritannien – die Debatte um eine Veränderung des Bildungssystems schon vor zwanzig Jahren eingesetzt. Bei uns wird die Forderung nach Ganztagsschulen jedoch erst seit Pisa akzeptiert.“ Man müsse aber überlegen, ob und ab welchem Alter man einen Kindergartenbesuch zur Pflicht mache: „Je früher Defizite aufgefangen werden, desto besser ist die Bildungsbiografie des Kindes.“ Der Elementarbereich sei bisher vernachlässigt worden. Schule – vor allem die Ganztagsschule – müsse für andere Berufsgruppen geöffnet werden, so Hay: zum einen für pädagogische, die Lehrer beim Erziehungsauftrag unterstützten, zum anderen für Fachleute, die pädagogisch qualifiziert werden und dann Vertretungsunterricht erteilen könnten, etwa Handwerker oder Musiklehrer aus Musikschulen.

„In der Lehrerschaft herrscht große Frustration, weil mit dem Kostenargument jede kreative Idee zum Scheitern gebracht wird“, hieß es aus den Reihen der Lehrer. Dies wiederum habe zur Folge, dass die Bereitschaft, Neues zu entwickeln, immer weiter zurückgehe. Lothar Hay wies darauf hin, dass der Eindruck, der Bildungsetat sei gesunken, falsch sei: Es habe in den letzten Jahren immer Zuwächse im Bildungsetat gegeben. Regierung und Fraktion blieben dabei, bis 2005 jedes Jahr neue Planstellen zu schaffen. Um den Unterrichtsausfall zu verringern, würden in diesem Jahr zusätzlich 1,7 Millionen Euro, in den nächsten beiden Jahren jeweils fast 10 Millionen Euro für Vertretungsunterricht zur Verfügung gestellt. Er bekräftigte die Absicht, zahlreiche Erlasse außer Kraft zu setzen, um den Schulen mehr Eigenverantwortung und damit auch mehr Freiheiten zu geben. Dann könnte über die Umsetzung mancher Idee an der Schule selbst entschieden werden.

Einig war sich die Diskussionsrunde in der Einschätzung, dass auch die Aus- und Fortbildung der Lehrer verändert werden müsse: Der pädagogische Teil sollte, vor allem beim Lehrpersonal der Sekundarstufen, verstärkt werden.

Lothar Hay wies darauf hin, dass „Bildung eine Lobby“ brauche. Immer noch sei es überwiegend ein Expertenthema. Interessenverbände wie Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Unternehmerverbände sollten sich stärker in die Debatte einbringen.

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