27.03.2003

Bauernproteste am 7. März 2003 in Kiel

Ein Brief an die Lauenburgischen Landwirte vom 11.03.2003

Den nachfolgenden Text habe ich als Landtagsabgeordneter als Brief an den Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes Kreis Herzogtum Lauenburg gerichtet. In dem Brief bitte ich Herrn Paul Petersen um eine Stellungnahme der Bauern unseres Kreises zu den Vorfällen anlässlich der Demonstration am 7. März vor dem Landeshaus in Kiel, auf der es zu tätlichen Angriffen gegen den Minister Müller, dem Entzünden einer vom Ministerium entfernten Landesfahne sowie zum Verbrennen von Strohpuppen gekommen ist, die u.a. die Ministerpräsidentin darstellen sollten. Ich hoffe auf eine deutliche Distanzierung der Bauern unseres Kreises von diesen Aktionen.

Sehr geehrter Herr Petersen,

ich wende mich an Sie als den von den Bauern unseres Kreises gewählten Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes Herzogtum Lauenburg.

Sicher haben auch Sie die Berichterstattungen über die Bauern-Demonstration vom 7. März vor dem Landeshaus in Kiel verfolgt. Ob Sie selbst vor Ort anwesend waren, weiß ich natürlich nicht und will ich auch nicht unterstellen.

Selbstverständlich ist es das gute Recht der Bauern in Schleswig-Holstein, ihren Unmut über politische Entscheidungen auch in Form von Demonstrationen zum Ausdruck zu bringen.

Die Form des Protestes einiger Personen und Personengruppen auf der genannten Demonstration hat nach meiner Meinung aber eine Form entwickelt, die mit dem Recht auf die freie Meinungsäußerung allein nicht zu rechtfertigen ist.

Mich würde interessieren, wie Sie und die Kreisbauernschaft des Herzogtums Lauenburg zu diesen Vorgängen stehen.

Anlässlich der am 07.03.2003 vom Bauernverband Schleswig-Holstein e.V. veranstalteten Protestdemonstration kam es laut Presseberichten („Kieler Nachrichten“ v. 8.03.2003 und „Lübecker Nachrichten“ vom 8.03.2003) zu tätlichen Angriffen gegen Umwelt- und Landwirtschaftsminister Klaus Müller, der von den Veranstaltern eingeladen wurde, zu der Versammlung zu sprechen, sowie zu Würfen von Gegenständen aus der Versammlung gegen den Minister.

Von den Demonstranten wurde eine vor dem ehemaligen Landwirtschaftsministerium aufgezogene Fahne des Landes Schleswig-Holstein eingeholt und verbrannt. Zu diesem Zweck mitgeführte Strohpuppen, die den Umwelt- und Landwirtschaftsminister Müller sowie die Ministerpräsidentin unseres Landes darstellen sollten, wurden von Teilnehmern der Versammlung unter Beifall der umstehenden Teilnehmer verbrannt.

Die brennenden Strohreste sollen dem Bericht der „Kieler Nachrichten“ zu Folge in der Fußgängerzone am Holstenplatz von den Teilnehmern der Demonstration zurückgelassen worden sein, ohne dass der Brand gelöscht wurde und mögliche Gefahren für die Allgemeinheit oder Abfälle beseitigt wurden.

Weiter ist dem Kommentar von Thomas Christiansen in den „Kieler Nachrichten“ vom 8.03.2003 zu entnehmen, dass es sich hierbei nicht um Geschehen am Rande der Demonstration gehandelt haben soll, sondern diese Aktionen den „Beifall der Masse“ erhalten haben sollen. Außerdem seien Transparente mit mindestens beleidigendem Inhalt mitgeführt worden. Die Ordner des Bauernverbandes sollen sich weitgehend passiv verhalten haben und seien weder gegen Übergriffe eingeschritten, noch hätten sie sich um die Beseitigung der Folgen gekümmert.

Sehr geehrter Herr Petersen,

ich habe diese Veranstaltung mit großer Besorgnis verfolgt, beziehe mich in meiner Darstellung ausdrücklich nicht auf meine eigenen Wahrnehmungen oder Darstellungen aus dem Landeshaus, sondern ausschließlich auf die Berichterstattung der beiden größten Zeitungen unseres Landes.

Die dort geschilderten Vorgänge sind sicher nicht die Handlungen aller Landwirte, die an der Demonstration teilgenommen habe. Ganz offensichtlich ist es aber zu einer duldenden und beifallspendenden Atmosphäre gekommen, die Straftaten und Geschmacklosigkeiten begleitet haben, wie wir sie bisher in unserem Lande in der politischen Auseinandersetzung nicht kannten.

Ich habe Sie bisher als umsichtigen, in der politischen Diskussion fairen Partner erlebt, auch wenn die Meinungen zu politischen Fragen oft weit auseinander gingen. Dies konnte ich zuletzt anlässlich eines Gespräches zwischen Ihnen und unserer Ministerpräsidentin in Schwarzenbek erleben, wo Sie ihre Sorgen über die von Ihnen als Abschaffung dargestellte Umstrukturierung des Ministeriums für Landwirtschaft vortrugen.

Ich würde gerne Ihre Auffassung als Vorsitzender des Kreisbauernverbandes zu den Ereignissen anlässlich der Demonstration in Kiel erfahren.

Ich würde mich als örtlicher Abgeordneter freuen, wenn ich in Kiel aus unserem Kreis Herzogtum Lauenburg von einer deutlichen Distanzierung der örtlichen Bauernschaft von gewalttätigen und beleidigenden Aktionen auf der Demonstration am 7. März berichten könnte.

Da ich davon ausgehe, dass die Öffentlichkeit an der Haltung der Kreisbauernschaft zu diesem Thema interessiert ist, habe ich eine Kopie dieses Schreibens an die örtliche Presse weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Eichstädt

Stellungnahme des Lauenburgischen Kreisbauernverbandes vom 27.03.2003

Sehr geehrter Herr Eichstädt,

in Ihrem Brief vom 11. März 2003 kritisieren Sie die Ausschreitungen einiger Teilnehmer der Demonstration des Bauernverbandes und des gesamten ländlichen Raumes vom 07. März in Kiel. Ich bedauere sehr, dass Sie der eindrucksvollen Demonstration des ländlichen Raumes persönlich fern geblieben sind und sich über den Ablauf der Demonstration nur einseitig aufgrund von Presseberichten zweier großer Zeitungen unseres Landes informierten.

Lassen Sie mich vorweg feststellen, dass ich mit Ihnen in ihrer Kritik über die Ausschreitungen am Rande der Demonstration übereinstimme. Das Verbrennen von Strohpuppen, die lebende Personen symbolisieren und Menschen verachtende Aussagen auf Transparenten sind nicht zu akzeptieren. Beides wird von mir persönlich, ebenso wie vom Bauernverband Schleswig-Holstein und dem Kreisbauernverband Herzogtum Lauenburg als auch von den anderen Organisationen, die zu der Demonstration aufgerufen haben, auf das Schärfste missbilligt. Das gilt auch für tätliche Angriffe auf Personen und insbesondere Minister Klaus Müller. Der Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Hosltein, Herr Otto-Dietrich Steensen, hat auch unverzüglich nach der Demonstration seine Missbilligung gegenüber Herrn Minister Müller und zwischenzeitlich auch gegenüber der Ministerpräsidentin zum Ausdruck gebracht und sich für dieses Verhalten einiger weniger entschuldigt. Die Unversehrtheit von Personen, das Persönlichkeitsrecht und fremdes Eigentum wird von uns geachtet.

Wir wehren uns aber auch dagegen, dass die zu verurteilenden Vorfälle in Kiel dazu genutzt werden, einen ganzen Berufsstand zu kriminalisieren, der Veranstaltung den Charakter eines "Kesseltreibens" zuzusprechen und von einer "krawalligen und unanständigen" Bauerndemonstration zu sprechen.

Mir und allen Funktionsträgern des Verbandes ist der hohe Stellenwert des Rechts zur Durchführung friedlicher und gewaltloser Demonstrationen sehr wohl bewusst. Deshalb ist es den Demonstrationsteilnehmern, die mit den Bussen des Bauernverbandes anreisen, nicht gestattet, Strohpuppen oder Menschen verachtenden Spruchbänder mitzuführen. Auch die Tatsache, dass etwa 6.000 Bauern durch die Kieler Holstenstraße gezogen sind, ohne dass Schaufensterscheiben zu Bruch gegangen sind oder Verkaufsstände vor den Läden umgekippt wurden, belegt die Friedfertigkeit unserer Demonstration. Keine Polizeikette musste unseren Demonstrationszug sichern. Es war eine friedliche Demonstration und unsere Bauern haben Leib und Leben sowie das Eigentum anderer nicht angegriffen. Dass es am Rande der Demonstration leider zu Vorfällen gekommen ist, die nicht zu billigen sind, bedauere ich sehr. Wenn jetzt diese Personen, die ihr Demonstrationsrecht missbrauchen, so in den Mittelpunkt gestellt werden, haben sie genau das erreicht, was sie wollten, was zu bedauern wäre.

Ich bin froh, dass am 13. März Präsident Steensen mit dem Landwirtschaftsminister Klaus Müller gesprochen hat und wir eine gemeinsame Erklärung herausgegeben haben. Gemeinsam haben sie jede Form der Gewalt und Herabsetzung von Personen verurteilt und deutlich gemacht, dass körperliche Angriffe und Verunglimpfungen keine demokratischen Mittel des Protestes sind. Dies ist auch meine Auffassung.

Nur der Ordnung halber möchte ich Sie darüber informieren, dass die Berichterstattung, die Sie erwähnen, einseitig und deshalb bedenklich ist.

Das Verbrennen der mitgeführten Strohpuppen in der Holstenstraße wurde durch Ordner des Bauernverbandes mit Hilfe zweier Polizeibeamter verhindert. Leider ist es nach der Demonstration vor dem ehemaligen Landwirtschaftsministerium dann zu dem Verbrennen gekommen. Auch wurde dort keine Fahne, sondern ein Transparent verbrannt, das von den Mitarbeitern des Ministerium zwar gut gemeint war, aber auf die Demonstranten provozierend wirkte. Insbesondere bedauere ich, dass die Atmosphäre der Demonstration falsch wiedergegeben wurde, die nicht bedrohlich, sondern im Gegenteil sehr friedfertig war.

Bitte vergessen Sie nicht den Grund für diese Demonstration. Es war und ist die Sorge der Landwirte um ihre Existenz. Dabei spielen die politischen Entscheidungen in Kiel, Berlin und Brüssel eine wesentliche Rolle. Leider sind unsere sachlich vorgetragenen Argumente von der Politik nicht gehört worden. Wie würden Sie reagieren, wenn man Ihnen 1/3 Ihres Einkommens wegnimmt? Als Sozialpädagoge sollten gerade Sie Verständnis für Leute haben, die unter bestimmten Voraussetzungen auch einmal anders reagieren als Sie und ich. Ich kritisiere, wie auch unser Präsident Herr Steensen, die Verunglimpfungen. Ich kann sie aber nachvollziehen. Insofern bitte ich Sie eindringlich, dazu beizutragen, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass ein wirtschaftlichen Überleben der Betriebe gesichert ist.

Mit freundlichen Grüßen
Paul Petersen

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