12.09.2002

LANDTAGSREDE: Der Sonntag muss ein Tag der Ruhe bleiben

Der Antrag der FDP zur Änderung des Gesetzes über Sonn- und Feiertage hat uns in seiner Brisanz natürlich nicht unberührt gelassen. Nicht zuletzt der Hinweis in der Begründung, hier gehe es darum, das veränderte Freizeitverhalten der Bürger und Bürgerinnen in einer dringend notwendigen Gesetzesänderung zu spiegeln, hat uns geradezu wachgerüttelt. In der Tat ist doch vielen Bürgerinnen und Bürgern das liebe Auto heilig. Warum soll es ihnen dann nicht auch im Rahmen ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung gestattet sein, das Objekt der Zuneigung am heiligen Sonntag zu pflegen?

Es trifft zu, nach dem derzeitigen Stand des Gesetzes dürfen gewerbliche Autowaschanlagen an Sonn- und Feiertagen nicht betrieben werden. Und dies, obwohl vermutlich kaum Menschen in ihrer Sonntagsruhe beeinträchtigt würden, wenn Waschanlagen an solchen Tagen in Betrieb wären. Auch unter Umweltgesichtspunkten ist es wünschenswert, dass die Menschen ihre Autos in Waschanlagen und nicht mit einem Gartenschlauch unter der Laterne waschen – und das gilt an Wochen- wie an Feiertagen.

Ähnlich wie bei der Diskussion um die Öffnung von Videotheken an Sonntagen befindet sich Schleswig-Hostein in einer besonderen Lage: Während der Betrieb von Fahrzeugwaschanlagen am Sonntag im Hamburger Umland verboten ist, kann der Bürger oder die Bürgerin den Sonntagsausflug mit dem PKW in die Freie und Hansestadt Hamburg nutzen, um mit dem Segen des dortigen Gesetzes freizeitgestaltend das Auto durch die automatische Waschanlage zu fahren. Gleiches gilt für die grenznahen Bereiche zu Dänemark.

Es gibt aber folgendes zu bedenken: Das Gesetz, das so schreckliche Dinge wie das Betriebsverbot von Autowaschanlagen am Sonntag hervorbringt, basiert auf Artikel 140 unseres Grundgesetzes, nach dem der Sonntag und die Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung verfassungs-rechtlich geschützt werden sollen. An diesem Grundsatz müssen und wollen wir festhalten. Auch meinen wir, dass der Sonntag für Arbeitnehmer und Familien weiter ein Tag der Ruhe bleiben muss.

Das Gesetz über Sonn- und Feiertage vom 12.12.1953 wurde von uns mehrfach, zuletzt am 16.4.2002, geändert. Seine Grundstruktur blieb allerdings erhalten.

Veränderte Lebensgewohnheiten und Einstellungen zur Begehung von Sonn- und Feiertagen in unserer Gesellschaft, aber auch der Umstand, dass im Dienstleistungsbereich immer mehr Menschen am Sonntag arbeiten müssen und schon dadurch der Charakter von Sonn- und Feiertagen eine Veränderung erfahren hat, lassen die Frage berechtigt erscheinen, ob nicht grundsätzlicher über die Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsgesetzes nachgedacht werden muss. Anders gesagt: Wir meinen, Ihr Autowaschanlagenantrag greift zu kurz.

Es stellt sich die Frage, ob die Öffnung von Videotheken und der Betrieb von Autowaschanlagen an den geschützten Tagen ausreichen, um der veränderten gesellschaftlichen Rolle von Sonn- und Feiertagen gerecht zu werden. Wir wollen vielmehr gemeinsam mit dem Innenminister darüber nachdenken, wie der Sinn und Zweck des Gesetzes, ausgehend vom Artikel 140 GG, erreicht werden kann, ohne dass wir alle zwölf Monate hier über einzelne Änderungen beraten.

Das Gesetz muss so novelliert werden, dass es einerseits den Menschen, die Ruhe und Besinnung an Sonntagen suchen, diese Ruhe garantiert, andererseits trotzdem flexibel Betätigungen zugelassen werden können, die diesem Ruhebedürfnis nicht entgegenstehen. Wir werden bei diesen Überlegungen aber auch die Belange der Besucherinnen und Besucher von Gottesdiensten im Auge behalten. Insofern werden wir die Kirchen frühzeitig in die Diskussion einzubeziehen.

Sehr zu begrüßen wäre es auch, wenn eine Änderung des Gesetzes zu einer Deregulierung mit verringertem Verwaltungsaufwand führen würde. Und ein novelliertes Gesetz sollte dann so sein, dass wir nicht schon nach kurzer Zeit wieder einen FDP-Antrag z.B. auf Einfügung einer Erlaubnis des Betriebs von Selbstbedienungsheißmangeln oder Münzwäschereien, Solarien oder privaten Flohmärkten an Sonn- und Feiertagen auf dem Tisch haben.

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