26.09.2001

LANDTAGSREDE: Sonderstellung in der Gemeindeordnung ist nicht nötig

Der Gesetzentwurf der FDP ist in seiner Absicht ja positiv: Menschen mit Beeinträchtigungen sollen die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilzuhaben. In den letzten Jahren sind hier große Fortschritte erzielt worden. Dass es trotzdem noch vieles zu tun gibt, steht außer Frage. Ob der vorliegende Gesetzentwurf geeignet ist, dies zu befördern, wird aber von uns bezweifelt.

Der Entwurf übernimmt fast wörtlich die Bestimmungen, die wir seinerzeit für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im § 47f der Gemeindeordnung beschlossen haben. (Ich meine zu erinnern: Sie von der FDP haben nicht zugestimmt). Die Verpflichtung, Kinder und Jugendliche an Planungen und Vorhaben der Gemeinden angemessen zu beteiligen, ist sinnvoll und notwendig, weil diese eben nicht die Möglichkeit haben, ihre Rechte direkt durch Mitwirken in den Gemeindevertretungen zu gewährleisten, sie sind aufgrund ihres Alters noch nicht wählbar.

Die Regelung für Kinder und Jugendliche hat sozusagen auch einen pädagogischen Aspekt, weil sie dazu auffordert, junge Menschen am Gemeinwesen und seiner Gestaltung schon früh im Rahmen demokratischer Prozesse zu beteiligen. Es sollte gewissermaßen auch so etwas wie die Vorschule zur demokratischen Mitgestaltung für junge Menschen werden. Das macht Sinn und in vielen Gemeinden funktioniert es hervorragend. Bei erwachsenen Menschen mit Behinderungen geht eine solche Regelung aber eher am Ziel vorbei, weil ihnen all diese Beteiligungsrechte zumindest rechtlich bereits offen stehen.

Wir haben in der Vergangenheit ein gutes System in unserem Gemeinwesen installiert, den Belangen behinderter Menschen Gehör zu verschaffen. Zuerst ist da natürlich das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landes Schleswig-Holstein zu nennen, das das Ziel verfolgt, Benachteiligungen behinderter Menschen umfassend zu beseitigen und zu verhindern sowie gleichwertige Lebensbedingungen auch für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Dieses Gesetz richtet sich auch an die Träger der öffentlichen Verwaltung in den Kommunen und regelt umfänglich und vorbildlich die Belange behinderter Menschen und ihre Möglichkeiten zur Teilhabe.

Viele Dinge sind in diesem Gesetz verankert, die der Gleichstellung Behinderter dienen. Dazu gehört das Klagerecht auch für Verbände, ganz wesentlich aber der Behindertenbeauftragte des Landes mit seinem unabhängigen Status und umfänglichen Gestaltungsmöglichkeiten. So ist es nicht zuletzt der Behindertenbeauftragte des Landes, Ulrich Hase, der hervorragende Arbeit leistet und auch dem Parlament wirksam auf die Finger klopft.

Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass die Aufnahme eines § 47 g in die Gemeindeordnung entbehrlich ist, weil durch diverse Rahmenrichtlinien und Gesetze, die ich hier in fünf Minuten nicht alle aufzählen kann, Menschen mit Behinderungen schon Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten in vielfältiger Form haben.

  • Im § 3 der Landesbauordnung haben wir geregelt, dass auf die Belange von Menschen mit Behinderung in besonderer Weise Rücksicht genommen werden muss.
  • Im § 1 Abs. 6.3 des Baugesetzbuches heißt es, dass Menschen mit Behinderung bei der Planung berücksichtigt werden müssen.
  • Und in der Arbeitswelt sorgt der § 94 des SGB IX über die Schwerbehindetenvertretungen in Betrieben dafür, dass die Belange von Mitarbeitern mit Handicaps beachtet werden.
  • Darüber hinaus können Gemeinden schon jetzt gemäß § 47 GO und Kreise gemäß § 42 KO, wenn sie es wollen und sie sollten es wollen Beiräte für die Belange Behinderter einrichten und Beauftragte für die Wahrung der Interessen Behinderter einsetzen.

 

Wir werden uns also im Ausschuss, mit der Frage beschäftigen, ob dieser Antrag uns wirklich dem Ziel näher bringt, die Belange von behinderten Menschen durch eine weitere Sonderstellung in der Gemeindeordnung zu verbessern. Wir haben Zweifel, sind uns aber auch bewusst, dass wir hier offensichtlich auch eine andere Auffassung haben, als der Behindertenbeauftragte des Landes sie uns kürzlich in einem Brief an die Abgeordneten mitgeteilt hat.

Wir werden Ihren Vorschlag im Innen- und Rechtsausschuss diskutieren, die Mitberatung im Sozialausschuss ist dabei selbstverständlich.

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