15.06.2005

LANDTAGSREDE: Rundfunkfreiheit gesichert, regionale Ausrichtung gestärkt

Mit den Änderungen des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk ist eine weitere Anpassung an rechtliche Notwendigkeiten und gesamtgesellschaftliche Erfordernisse erreicht worden. Allerdings nicht ohne eine politische Auseinandersetzung zwischen den vier NDR-Vertragsländern, die durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff ausgelöst wurde und schon im Vorfeld der Verhandlungen für Zündstoff sorgte.

Für die drei Länder Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein war der Vorschlag Niedersachsens, jederzeit abrufbare staatliche Vertreter in den Verwaltungsrat zu entsenden, aus verfassungsrechtlichen und medienpolitischen Gründen nicht hinnehmbar, denn damit wäre eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgehebelt worden: die Staatsferne, die den unmittelbaren Einfluss der Politik auf den Sender und auf die Programminhalte verbietet. Und es ist gut, dass dieses Ansinnen Niedersachsens abgewendet werden konnte.

Durch den jetzt vorliegenden Vertrag ist die im Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene Rundfunkfreiheit gesichert. Auch die Zusammensetzung des Rundfunkrates, der seine Kontrollfunktion unabhängig und ohne (partei)politische Ausrichtung ausgeübt hat, bleibt in ihrer Grundstruktur erhalten, es wird keine politische Dominanz geben.

Somit konnte der NDR als Vier-Länderanstalt erhalten bleiben, die Staatsferne ist weiterhin gesichert, die Gremien werden ohne politischen Einfluss arbeiten können, die Forderungen nach mehr Transparenz und Kontrolle sind erfüllt, und damit wird der NDR auch europafähig und für die Zukunft gut gerüstet sein.

Besonders hervorzuheben ist die größere regionale Ausrichtung der Vier-Länderanstalt. Täglich werden 30 Minuten Regionalprogramm hinzukommen und in den Mitgliedsländern produziert werden. Es wird sich um ein Gemeinschaftsprogramm handeln, das heißt, es wird nicht auseinandergeschaltet, da die Länder sich im Programm wiederfinden sollen. Auch hier konnten Begehrlichkeiten aus Hannover hinsichtlich einer Einflussnahme auf Programminhalte und -angebote für die ARD abgewendet werden.

Schließlich wird die Position der Landesfunkhäuser durch die Neuregelung gestärkt. Mehr Geld wird es für den NDR aber nicht geben, denn das neue Programm muss aus den vorhandenen Mitteln finanziert werden.

Gebührenzahler haben ein Recht zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht. Dieser Forderung wird der neue Staatsvertrag gerecht, da neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit jetzt der Grundsatz der Klarheit von Einnahmen und Ausgaben in der Buchführung verankert wird. So sind die Kontrollbefugnisse der Landesrechnungshöfe erstmals staatsvertraglich geregelt und das Informationsrecht der Landtage erweitert worden. Der NDR wird zeitnah nach Vorliegen des Berichtes der KEF mindestens alle zwei Jahre den Parlamenten einen schriftlichen Bericht über seine wirtschaftliche und finanzielle Lage geben. Das gilt auch für die Töchter und Unternehmensbeteiligungen, strukturelle Veränderungen des NDR und seine Entwicklungsperspektiven.

Ich will hier, da wir ja alle für die Staatsferne des Rundfunks unser Bekenntnis ablegen, auch für meine Fraktion deutlich sagen: Das letzte KEF-Verfahren, oder besser: der Umgang der Politik mit ihm, war ein gefährlicher Schritt in die falsche Richtung. Wir haben das hier in Schleswig-Holstein mit geballter Faust in der Tasche mitgemacht, weil es sonst gar keine Gebührenerhöhung gegeben hätte, was die Anstalten in große finanzielle Bedrängnis gebracht hätte. Aber ich will deutlich sagen: Dieser Eingriff der Politik in die Gestaltung der Gebühren, wie sie im Herbst geschehen und wesentlich vom Bayerischen Ministerpräsidenten zu verantworten ist, war ein Sündenfall, der nicht wieder vorkommen darf.

Die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerät in massive Gefahr, wenn Politik sich ohne nachvollziehbare Gründe in die Empfehlung der KEF einmischt und – das merken wir jetzt – er liefert der EU Anlass, hier möglicherweise zu Recht eine verbotene staatliche Beihilfe zu vermuten. Dieser Eingriff muss einmalig bleiben. Das, Herr Ministerpräsident, sollten Sie bei Gelegenheit als die dringende Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Landtages Ihren Ministerpräsidentenkollegen sagen.

Ein Wort zu den Beteiligungs- und Informationsrechten des Parlaments. Medienpolitik wird in den Staatskanzleien gemacht und bis zur Paraphierung von Gesetzen und Abmachungen durch die Ministerpräsidenten erfahren die Abgeordneten relativ wenig von dem Geschehen. Das liegt zum einen an dem nicht sehr sichtbaren Interesse der Parlamente an dem Thema Medienpolitik, zum anderen an den verschiedenen Kompetenzen und Zuständigkeiten. Einmal sind es die Rechtspolitiker, ein anderes Mal die Wirtschaftsfachleute, ein wenig Kultur, und schließlich kommen die Europäer hinzu, wenn es sich, wie zur Zeit, um ein EU- Beschwerdeverfahren handelt, auf das reagiert werden muss.

Ich erwarte keine große Debatte über das Thema Informationsfreiheit wie in den 70er Jahren. Dem Landtag stünde es allerdings gut an, wenn er sich mehr um diese Themen bemühen würde, um es für die Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen. Letztlich kann er das aber nur, wenn auch die Regierung rechtzeitig und umfassend informiert. Rechtzeitig heißt: nicht nur kurz vor der Unterschrift, sondern schon im Vorfeld, wenn eine Gesetzesänderung ansteht.

Der zur Beratung anstehende Staatsvertrag soll am 1. August 2005 in Kraft treten, die Zeit zur Beratung war also auch dieses Mal wieder bedauerlich kurz. Ins Haus steht schon die 9. Änderung des Staatsvertrages, die noch in diesem Jahr beraten werden soll. Dabei geht es um Frequenzen oder Zugangsregelungen, aber auch um das Thema Datenschutz. Und schließlich steht auch noch eine Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrages an, in die der Medienstaatsvertrag und der Telemedienstaatsvertrag eingebaut werden sollen.

Wenn eine Einigung mit der EU hinsichtlich des Beihilfeverfahrens erfolgt, müssen die neuen Regelungen ebenfalls im Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt werden. Das wäre dann der 10. Änderungsstaatsvertrag. Sie sehen, das Thema Medienpolitik wird uns in diesem Hause noch reichlich beschäftigen!

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