13.06.2012

Torsten Albig: Neue Horizonte für Schleswig-Holstein

Es gilt das gesprochene Wort!

I. Neue Horizonte für demokratische Teilhabe in einem europäischen Schleswig-Holstein

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Europa schaut heute auf uns. Zum ersten Mal wird in Deutschland eine Regierung gebildet, in die eine Partei eintritt, die zwei nationale Minderheiten vertritt. Es erfüllt mich mit Stolz, dass meine Regierung damit 92 Jahre nach der Grenzabstimmung und 57 Jahre nach den Bonn-Kopenhagener-Erklärungen auch das Ergebnis einer besonderen Minderheitenpolitik ist.

Lassen Sie uns aus dieser Besonderheit Normalität machen. Lassen Sie uns zeigen, dass wir in Schleswig-Holstein miteinander leben, dass wir uns gegenseitig achten und stärken, nur fragen, was kann jemand für sein Land leisten und nicht, ist er Teil von Mehrheit oder Minderheit. Dass wir Vorbild sein können für ganz Europa.

Genau für diese Regierung von SSW, Bündnis 90/Die Grünen und SPD sind wir, die wir nun dieses Bündnis für den Norden geschlossen haben, vorher gemeinsam eingetreten.

Wir waren überzeugt, dass unser Land reif ist für diesen Schritt. Von dieser Regierung wollte die Mehrheit unser Bürgerinnen und Bürger regiert werden. Genau dieser Regierung hat die Mehrheit der Menschen in unserem Land deshalb ihr Vertrauen ausgesprochen.

Auf dieses Vertrauen will ich in den nächsten fünf Jahren mit meiner Regierung und mit Ihnen gemeinsam gute Politik aufbauen. Dieses Vertrauen der Menschen in unserem Land ist das Startkapital, das uns mitgegeben wurde auf unseren fünfjährigen Weg.

Es berechtigt uns, die Verortung unseres Landes in Europa neu vorzunehmen. Meine Regierung ist eine nordeuropäische. Eine, in der Menschen, die in der gesamten Region ihre Wurzeln haben, ihr Zuhause finden können. Das, was wir mit der deutsch-dänischen Region wirtschaftspolitisch zu greifen versuchen, übersetzen wir auf eine gesamtpolitische Ebene.

Wir bekennen uns zu den nationalen Minderheiten der Dänen, Friesen, Sinti und Roma als ein elementarer Teil Schleswig-Holsteins. Wir werden deshalb eine Änderung von Art. 5 der Landesverfassung einbringen, die auch die nationale Minderheit der Sinti und Roma unter den Schutz und die Förderung des Landes stellt. Die Zeit ist reif dafür. Das ist übrigens die innere Logik, warum die Kürzungen bei der Regelschule der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die sich der dänischen Minderheit zugehörig fühlen, wieder zurückgenommen werden müssen. Sie waren ein Verstoß gegen unseren Gleichbehandlungsgrundsatz.

Wir werden wieder für ein konstruktives Verhältnis zu Dänemark sorgen. Im Herbst wird mich deshalb meine erste Auslandsreise nach Dänemark führen. Mit unseren dänischen Freunden gemeinsam nach europäischen Antworten in den großen Fragen der Energiewende, der demographischen Veränderung, der Lage der Staatshaushalt zu suchen – das haben wir uns vorgenommen.

Das politische Grundverständnis meiner Regierung ist geprägt von dem Bekenntnis zur Zusammenarbeit – im Norden Europas, zwischen den Menschen genauso wie zwischen den Regionen unseres Landes.

Wir werden alles dafür tun, das Land sozial und regional zusammenzuhalten. Es stehen nicht die Städte gegen den ländlichen Raum. Es steht nicht die dänisch-deutsche Region gegen die Metropolregion. Es steht nicht Ostholstein gegen Nordfriesland. Nur, wenn wir uns als ein Land begreifen, das Teil einer über unser Land hinausgehenden europäischen Region ist, nur dann werden wir die einmaligen geowirtschaftlichen Vorteile unserer Lage in Europa nutzen können.

Diese Regierung setzt auf eine neue politische Kultur. Wir setzen auf Dialog, Transparenz und Teilhabe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

bei der Landtagswahl am 6. Mai ist die Wahlbeteiligung auf ein historisches Tief gesunken. Nur 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind wählen gegangen. Ein erschreckendes Ergebnis. Das wieder zu ändern, ist Verpflichtung für Parlament und Regierung.

Mit Sorge sehe ich, dass viele "von denen da unten" wiederum "von denen da oben" nichts zur Verbesserung ihres eigenen Lebens erwarten. Sie sehen, dass Milliarden für die Rettung von Banken da sind, aber keine 6.000 Euro für die Sanierung der Schultoilette. Das und vieles mehr verstehen sie nicht. Warum also sollten sie wählen gehen?

Wir sind es, die es den Menschen erklären müssen. Die die Widersprüche erklären – und gegen sie angehen müssen. Aber auch deutlich machen müssen, dass wir Grenzen haben – was aber nicht Zeichen einer Handlungsunfähigkeit, sondern Ausdruck von Komplexität der Probleme ist.

Wir müssen die Bürgerinnen und Bürgern wieder davon überzeugen: Deine Meinung interessiert uns. Deine Stimme kann etwas bewegen. Du bist Mitgestalter und Mitentscheiderin. Du bist Subjekt und nicht Objekt von politischen Prozessen.

Aber wir müssen auch genauso klar sagen: Du kannst nicht erwarten, dass Du mit Deiner Meinung eins zu eins durchkommst. Denn zur Demokratie gehört auch, dass Dein Interesse dort an eine Grenze stößt, wo ein anderes berechtigtes Interesse formuliert wird.

Ja, ich bin für Beteiligung. Eine Beteiligung, die das Gelingen und nicht nur das Scheitern will. Eine Beteiligung, die ihre Verantwortung kennt und nicht in die Verantwortungslosigkeit flüchtet. Eine Beteiligung, die die Entscheidung vorbereitet und nicht sie unmöglich machen will.

Meine Regierung wird Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die gut, fair und transparent vorbereitet werden, Entscheidungen, die wir erklären und verantworten. Für die aber nicht gelten wird, dass jeder sie akzeptieren muss. Der Weg zur Entscheidung hin muss akzeptiert werden – das ist die Bedeutung von guter Bürger-Beteiligung!

Meine Damen und Herren,

unsere repräsentative Demokratie muss und kann weiter entwickelt werden. Die Koalition von SPD, Bündnis ´90/Die Grünen und SSW wird das tun.

Meine Landesregierung wird Schleswig-Holstein zum deutschlandweiten Vorbild für eine aktive Informationsfreiheit machen. Jeder soll sich einbringen können. Sich frei äußern. Niemand soll unter Generalverdacht stehen. Deshalb lehnen wir eine Vorratsdatenspeicherung ab.

Unser Grundsatz lautet, dass der Zugang zu Informationen zur Regel und ihre Verweigerung zur Ausnahme werden sollen. Künftig wird auch die Regierungskommunikation diesen Grundsatz widerspiegeln. Wir werden den Bürger in die Lage versetzen, unser Handeln Schritt für Schritt nachzuvollziehen und sich an geplanten Entscheidungen als "Bürger auf Augenhöhe" zu beteiligen.

Wir werden Bürgerbegehren erleichtern. Außerdem werden wir die gesetzlichen Hürden für Volksinitiativen auf Landesebene senken.

Senken werden wir auch das Wahlalter bei Landtagswahlen – von heute 18 auf künftig 16 Jahren. Wer die jungen Menschen für die Demokratie, für Teilhabe begeistern will, der kann ihnen das Wahlrecht nicht verwehren.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

den Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis ´90/Die Grünen und dem SSW haben Sie alle gelesen. Daher erlaube ich mir, mich in meiner Regierungserklärung auf fünf zentrale politische Ziele der Koalition zu konzentrieren. Das sind:

  • an erster Stelle Bildung, Wissenschaft und Kultur,
  • das sind Wirtschaft und Arbeit für Schleswig-Holstein,
  • das ist drittens die Energiewende,
  • die soziale und innere Sicherheit Schleswig-Holsteins,
  • und natürlich das Thema Konsolidierung der öffentlichen Finanzen.

II. Bildung, Wissenschaft und Kultur im Dialog

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

neue Horizonte muss es auch in der Bildungspolitik geben. Gerade in der Bildungspolitik soll sich unser Politikverständnis beweisen. Das Bildungsministerium und seine Ministerin sind dabei von zentraler Bedeutung. Wir wollen dieses Schlüsselressort noch stärker als Dienstleister, als Förderer und Partner an die Seite unserer Schulen und Hochschulen stellen.

Die Leitfragen werden sein "Was hilft guter Schule?" "Was hilft guter Hochschule?" Der Grundsatz wird sein, dass alles, was besser vor Ort geregelt wird, auch vor Ort geregelt werden soll. Wir vertrauen unseren Schulen und Hochschulen und sind bereit, ihnen mehr Verantwortung zu geben.

Ich setze auch hier auf Dialog, Transparenz und Teilhabe. Gemeinsam mit Schülern, Lehrern und Eltern

Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Anschlüsse zwischen den Bildungsabschnitten nicht zu Sackbahnhöfen werden zu lassen. Von Krippe zu Kita, von Kita zu Grundschule, der Weg zum bestmöglichen Schulabschluss, der Übergang in Berufsausbildung oder Studium. Wie fördern wir die Potentiale unserer jungen Menschen? Und zwar alle und nicht nur die, die wir mit 6 oder 10 Jahren vermuten? Wie verhindern wir Scheiternskarrieren? Wie machen wir aus Schülerinnen und Schülern Gewinner und nicht Verlierer?

Die Ausgestaltung der frühkindlichen Bildung ist entscheidend dafür, dass die Jüngsten Chancengleichheit im Leben bekommen und ihre Eltern Familie und Beruf vereinbaren können. Wir werden daher den Kommunen helfen, den Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem zweiten Lebensjahr zu erfüllen.

Wir werden - wie vom Verfassungsgericht und seinem Präsidenten Bernhard Flor zu Recht beiden Seiten aufgegeben – offen auf unsere kommunalen Partner zugehen, um mit Hochdruck den Krippen- und Kindergartenausbau in Schleswig-Holstein voranzubringen.

Das heißt ganz konkret: Zur Entlastung der Kommunen wird sich das Land als ersten Schritt an den Betriebskosten der Betreuung der unter Dreijährigen beteiligen, beginnend 2013 mit 15 Millionen Euro aufwachsend bis 2017 auf 80 Millionen. Mein aufrichtiger Appell an unsere kommunalen Partner und die Trägerverbände: Lassen Sie uns in fairer Partnerschaft diese große Aufgabe gemeinsam bewältigen. Meine Regierung steht an Ihrer Seite. Es gibt kein starkes Land mit schwachen Kommunen. Und es gibt keine starken Kommunen mit einem schwachen Land.

Die Einführung des von der Bundesregierung geplanten Betreuungsgeldes lehnen wir auch deshalb ab. Wir halten es für sinnvoller, das Geld in den Ausbau der Krippen vor Ort zu investieren.

Sobald es die Haushaltslage erlaubt, wollen wir die Kita-Gebühren schrittweise abschaffen.

Meine Damen und Herren,

nach den vielen Schulreformen der vergangenen Jahre herrscht große Unsicherheit an den Schulen. Meine Regierung will den Schulfrieden. Mein Ziel ist es, zu einem breiten Konsens zu kommen, der den Schulen für mindestens das nächste Jahrzehnt Planungssicherheit bietet. Nehmen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diese ausgestreckte Hand an und lassen Sie uns in der "Bildungskonferenz Schule" nach den Sommerferien gemeinsam über Details reden.

Die Landesregierung wird aber in die Bildungskonferenz mit klaren Vorschlägen gehen. Ich will Ihnen die wichtigsten nennen:

  • Wir stehen zu dem Zweiwegekonzept von Gemeinschaftsschulen und Gymnasien.
  • Das gemeinsame Lernen wird an Gemeinschaftsschulen wieder bindend sein.
  • Die Gymnasien sollen künftig generell in acht Jahren zum Abitur führen, die Gemeinschaftsschulen in neun Jahren.
  • Die bereits genehmigten G9-Gymnasien haben Bestandsschutz.
  • Neue G9-Gymnasien werden wir nicht genehmigen.
  • Die bestehenden Y-Gymnasien sollen sich zwischen G8 und G9 entscheiden.
  • Neue Gemeinschaftsschulen sollen eine Oberstufe bekommen, wenn der Schulträger und die Schulkonferenz dies beantragen und wenn es die Schulentwicklungsplanung hergibt.
  • Die Regionalschulen können sich zu Gemeinschaftsschulen entwickeln.

Zum Schulfrieden soll auch beitragen, dass wir die bislang geplante Kürzung der Lehrerstellen so nicht stehen lassen. Auf Grund des Schülerrückgangs werden rechnerisch – nach dem, was wir heute wissen - bis 2017 rund 1.400 Stellen frei. Die eine Hälfte der dadurch freigesetzten Mittel soll zur Verbesserung der Bildungsqualität dienen, die andere der Haushaltskonsolidierung.

Die 300 Stellen, die 2012 gestrichen wurden, werden schnellstmöglich an die Schulen zurückgegeben.

Außerdem werden die Gemeinschaftsschulen in einem ersten Schritt zwei der drei gekürzten Differenzierungsstunden zurückbekommen. Gemeinsames Lernen verlangt Ressourcen – es ist ein teures Experiment zu testen, was gemeinsames Lernen bedeutet, wenn ich Lehrerinnen und Lehrern keine zusätzlichen zeitlichen Räume gebe. Das zahlen die jungen Menschen und später unsere Gesellschaft.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Im Zuge der Globalisierung wird Wissen, wird Bildung immer wichtiger, denn sie verlangt von unseren Bürgerinnen und Bürgern einen weiten Horizont. Dies gilt insbesondere für das rohstoffarme Deutschland. Wir leben längst in der Wissensgesellschaft und der Strukturwandel hin zur "Wissenswirtschaft" läuft auch bei uns.

Schleswig-Holsteins Hochschulen müssen im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig sein. Sie stehen in Konkurrenz um Top-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Studierende, Drittmittel und um knappe Mittel aus den Haushalten von Land, Bund und Europäischer Union.

Dazu leistet auch die Exzellenzinitiative einen wesentlichen Beitrag, in der es Ende der Woche die abschließenden Entscheidungen geben wird. Wir sind stolz, dass unsere Hochschulen im Rennen sind, und werden sie nach Kräften unterstützen. Ihr Erfolg liegt fundamental im Interesse von ganz Schleswig-Holstein.

Mit Spannung sehen wir am Freitag nach Bonn und drücken die Daumen. Wir hoffen, dass unsere Hochschulen aus Lübeck und Kiel gut in den Wettbewerb gegangen sind und erfolgreich nach Hause zurückkommen. Die Ministerin wird vor Ort werben. Wir sind uns aber sicher, dass in jedem Fall, die Landesförderung der Exzellenzcluster als Basisförderung bestehen bleiben muss, um den eingeschlagenen erfolgreichen Weg fortzuschreiten.

Schleswig-Holstein braucht seine Hochschulen als Impulsgeber, als Kreativzentren für innovative Produkte, Verfahren und Methoden. Sie sind die Basis für den derzeitigen und, wichtiger noch, den künftigen Wohlstand in Schleswig-Holstein.

Deutschland und Schleswig-Holstein müssen um so viel besser, innovativer und kreativer sein, wie sie im internationalen Standortwettbewerb vor allem bei den Arbeitskosten teurer sind. Und Schleswig-Holstein braucht seine Universitäten auch um den Bedarf an gut qualifizierten Arbeitskräften zu decken, insbesondere in den sogenannten MINT-Fächern.

Meine Damen und Herren,

weil wir dieses positive Bild von Bildung und Wissenschaft haben, wird es mit uns keine Schließung von Hochschulen geben.

Unseren Hochschulen wollen wir statt schöner Worte lieber praktische Hilfe anbieten. Wir werden die Unterfinanzierung der Hochschulen nur schrittweise beseitigen können. Leider. Kürzungen des Hochschuletats wird es aber nicht geben. Tarifsteigerungen und de-facto-Kürzungen durch Inflation wollen wir ebenfalls ausgleichen. Wir bieten den Hochschulen damit Planungssicherheit. An allen Entscheidungen, die sie betreffen, werden wir sie teilhaben lassen.

Ein letzten Punkt möchte ich bei der Hochschulpolitik erwähnen: Studiengebühren wird es mit dieser Regierung nicht geben. Es ist dieser Regierung ein Herzensanliegen, dass der Zugang zu den Hochschulen gerade auch für Kinder bildungsferner und ärmerer Schichten frei bleibt. Auch so sieht Teilhabe aus. Und es ermöglicht den sozialen und materiellen Aufstieg durch eigene Leistung, einem Kernversprechen unserer Demokratie und unserer sozialen Marktwirtschaft.

Alles Geld, das wir jetzt klug in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen investieren, müssen wir später nicht als Reparaturkosten des Sozialsystems für verkorkste Lebensläufe aufbringen. Kluge Bildungspolitik nutzt der individuellen Emanzipation ebenso wie der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ebenso wie Bildung und Wissenschaft gehört Kultur zu den Grundlagen unserer Gesellschaft. Bühnen, Galerien, Bibliotheken, Konzertsäle – all das sind Orte, die uns Gelegenheiten schenken, stärker zu werden. Schauspieler, Malerinnen, Autoren und Musikerinnen sind Menschen, denen wir gesellschaftlich nicht gerecht werden, wenn wir sie zentral nur als Teil eines Kultureinzelplans im Haushalt betrachten. Sie helfen uns, uns zu finden. Sie geben Impulse für unsere Weiterentwicklung. Was passiert, wenn wir sie alle eingespart haben? Werden wir dann erfolgreicher sein?

Die Kulturszene hat in den letzten Jahren ihren Sparbeitrag geleistet. Im kommunalen Bereich ebenso wie auf Landesebene. Möglichkeiten für weitere Einsparungen sehe ich nicht. Wir müssen die kulturpolitische Debatte im Land wieder mit Leben erfüllen. Im Dialog mit den Kulturschaffenden selbst und den Kommunen wollen wir deshalb Leitlinien für die Kulturpolitik des Landes entwickeln. Dazu gehört ein "Neues Gedenkstättenkonzept für die NS-Gedenkstätten in Schleswig-Holstein" genauso wie die zukünftige Gestaltung der Theaterlandschaft im Land.

Ich möchte die Künstlerinnen und Künstler im Land herzlich einladen, beteiligen Sie sich an unserem Projekt. Lassen Sie uns teilhaben an ihren Ideen für unsere Zeit. Lassen Sie uns neue Orte des Diskurses finden. Lassen Sie uns streiten und gemeinsam arbeiten. Meine Regierung ist neugierig auf Sie. Ich bin neugierig auf Sie. Ich kann Ihnen keine sprudelnden Finanztöpfe versprechen – aber eine überquellende Begeisterung für das, was Sie für unser Land leisten.

III. Wirtschaft und Arbeit für Schleswig-Holstein

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

unser Land ist voller starker Unternehmen. Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, mittelständische Unternehmen und Industrie. Sie sorgen für Ausbildungsplätze und Beschäftigung. Unternehmerisches selbstständiges Handeln hat für mich einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

Bäckermeister Lemmermann in Silberstedt genauso wie die Firmen Eschweiler (Blutgasanalyse) oder IBAK (Kanalkameras) in Kiel. Pelz (Hygieneartikel) in Wahlstedt oder M. Jürgensen (Druckguss) in Sörup genauso wie Fischer und Tausche (Kondensatoren) in Husum. Die Druckerei Evers in Meldorf genauso wie Bayer in Brunsbüttel oder Dräger in Lübeck.

Diese Namen stehen nur stellvertretend für all die fleißigen Frauen und Männer, die an unserem Land arbeiten. Die gute Arbeit schaffen. Die vertrauensvoll mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenarbeiten. Die die Grundlage für den Wohlstand legen, der unser Gesellschaft finanziert.

Überall treffen Sie Unternehmerinnen und Unternehmer im besten Sinne. Menschen, die Ideen haben, die etwas wagen. Die begeistert sind von dem. Was sie tun. Die keinen Staat brauchen, der sie drangsaliert, sie mit Bürokratie überzieht oder mit Subventionen ködert.

Sie brauchen alle vor allem gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie brauchen Unterstützung gegen Wettbewerb, der mit Dumpinglöhnen arbeitet, brauchen schnelle und verlässliche Genehmigungsverfahren. Infrastruktur, die nicht nur behauptet wird, sondern auch kommt. Verlässlich. Planbar.

Meine Regierung wird an der Seite dieser Unternehmerinnen und Unternehmer, ihrer Mitarbeiter, ihrer Betriebsräte stehen. Es ist uns Verpflichtung, Ihnen die Möglichkeiten zu schaffen, um in unserem Land Erfolg zu haben.

Zu diesen eindrucksvollen Unternehmerinnen und Unternehmern in unserem Land gehören natürlich auch die Frauen und Männer, die auf Ihren Höfen sicherstellen, dass wir hochwertige Lebensmittel erhalten. Das Wort "Lebensmittel" ist uns in seinem Wortsinn Verpflichtung.

Wir wollen nachhaltig, qualitätsvoll und gesund produzierte Nahrung in Schleswig-Holstein herstellen und wir werden uns dafür einsetzen, dass diese zu fairen Preisen veräußert wird, dass die Landwirte von ihren Lebensmitten leben können.

Wir haben starke und verantwortungsbewusste Landwirte, die in konventioneller Weise wirtschaften und die in uns verlässliche Partner und Mitstreiter gerade in schwierigen europapolitischen Debatten haben.

Wir haben aber auch sehr erfolgreiche Biohöfe, die in einem harten Wettbewerb bundesweit stehen. Wir wollen nicht, dass der wachsende Markt der Ökolebensmittel bei uns mit Importware gedeckt werden muss. Wir werden unsere Biohöfe solange stützen und die Beibehaltungshilfe wieder zahlen, wie es existenzgefährdende Wettbewerbsverzerrungen in Deutschland gibt.

Meine Damen und Herren,

gute Wirtschaftspolitik muss darauf abzielen, Schleswig-Holstein attraktiv zu machen für international immer mobilere Unternehmen und Arbeitskräfte. Schleswig-Holstein braucht zielgerichtete Investitionen in Bildung, Forschung und moderne Infrastruktur.

Unter einer modernen Infrastruktur verstehe ich mehr als Asphalt und Beton. Wissen, Einfallsreichtum und Kreativität sind die wichtigsten Ressourcen. Wenn es uns nicht bald gelingt, die Datenautobahn mit Hochgeschwindigkeitsnetzen nach Schleswig-Holstein zu legen, dann können wir so viel Straßen bauen, wie wir wollen – sie werden nur zur Durchfahrt genutzt.

Der Wirtschaftsminister wird das Thema Glasfasernetz SH zur Chefsache machen, weil wir wissen, dass sich hier Arbeit und Zukunft entscheidet.

Meine Damen und Herren,

nach Vorlage des Koalitionsvertrages hat es aus der Wirtschaft kritische Stimmen gegeben. Fest machte sich das vor allem an der Verkehrspolitik.

Ich sage dazu: Schauen Sie sich bitte genau an, was wir vorhaben und lassen Sie uns keine Phantomdebatten führen. Sie werden feststellen, dass die Grundzüge der Wirtschaftspolitik weitgehend konstant bleiben. Bei der Verkehrspolitik tritt nur sehr viel mehr Realismus und Pragmatismus ein.

Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern – allemal in einem Konsolidierungsland wie Schleswig-Holstein – gehört auch ein ehrlicher Kassensturz und ein realistischer Umgang mit den Fakten.

Und das heißt im Fall der A 20: Die Autobahn 20 ist in den letzten Jahren hinter allen vollmundigen Ankündigungen stets zurück geblieben. Angesichts des hoffnungslos unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplanes und der Tatsache, dass Schleswig-Holstein den Bau der A 20 größtenteils aus seiner Länderquote von knapp drei Prozent stemmen muss, kann das ernsthaft niemanden überraschen.

Das Neue ist: Wir machen Schluss mit dieser politischen Lebenslüge. Wir stellen uns nüchtern und sachlich den Fakten.

Und Fakt ist auch, entgegen dem Eindruck, der in der emotions-geladenen Debatte erzeugt wird: Diese Landesregierung wird die Planfeststellungsverfahren im Zuge der A 20 zügig zu Ende bringen. Sie werden eine Bestandskraft von bis zu fünfzehn Jahren haben.

Wir können sehen, dass nach der schleswig-holsteinischen Landtagswahl auch im Bundesverkehrsministerium der Blick für die Fakten wieder klarer wird. Dort hält man allem Anschein nach den privat geplanten Bau und Betrieb des Elbtunnels nicht für machbar. Und man geht scheinbar von Kostensteigerungen im hohen dreistelligen Millionenbereich aus. Nicht nur wir, sondern auch der Bund sieht Diskussionsbedarf zum Milliarden-Projekt A 20.

Ich frage mich: Warum erfahren wir von den Zahlen nur aus der Zeitung? Warum hat das Bundesverkehrsministerium das Gutachten nicht schon längst veröffentlicht?

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

noch im Juni werden Wirtschafts- und Verkehrsminister Meyer und ich die Industrie- und Handelskammern zu einem Gespräch einladen und erläutern, was geplant ist. Wir wollen damit zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Wir wollen und werden partnerschaftlich mit Ihnen zusammenarbeiten. Ich rufe Ihnen zu: Wir wollen Ihren Erfolg. Er ist Voraussetzung für unseren.

Wir werden dann den Kammern auch vorschlagen, gemeinsam einen Integrierten Westküstenplan zu entwickeln. Damit wollen wir auf die Sorge reagieren, die Westküste könnte von der allgemeinen Entwicklung in Schleswig-Holstein abgehängt werden. Diese Sorgen nehme ich ernst, aber ich teile sie nicht.

Denn: Wo anders als an der Westküste sollten sich zum Beispiel die erneuerbaren Energien mit all den damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen entwickeln? Die Energiewende weitet den Horizont für neue Wertschöpfung, neues Wachstum und neue Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren,

Für Realismus und Pragmatismus plädieren wir auch beim Milliarden-Projekt Fehmarnbelt-Querung. Wir erwarten vom Bund eine neue, eine realistische Kostenschätzung. Jeder gute Kaufmann würde das so machen.

Wir halten die ursprünglichen Kosten von 800 Millionen Euro für die Hinterland-Anbindung nicht mehr für realistisch. Der Bundesrechnungshof geht von bis zu 1,7 Milliarden Euro aus. Wir brauchen Klarheit. Und: Der Bund muss ggf. die Mehrkosten voll tragen.

Andere Verkehrsprojekte im Lande dürfen durch die Kosten oder etwaige Mehrkosten der A 20 oder der Fehmarnbelt-Hinterland-Anbindung nicht in Frage gestellt werden. Und wir brauchen außerdem eine Perspektive für die Fehmarnsund-Querung.

Wir wollen vom Bund wissen, wie die echten Zahlen sind. Das stellt nicht den Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland in Frage. Pacta sunt servanda.

Und selbstverständlich bleibt es dabei, dass wir ein vehementes Interesse an Konzepten haben, wie man die Querung für mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und Wohlstand vor allem im Osten und Süden unseres Landes nutzen kann.

Wenn sich der Schlachtenlärm verzieht, werden die Realisten und Pragmatiker uns zustimmen, dass all diese Klärungen im Interesse des Landes liegen. Klarheit und Wahrheit statt Wolkenkuckucksheim.

Mit dieser Regierung wird es keine Verkehrsblockade geben. Ich will Ihnen einige weitere Beispiele nennen, die das bebildern.

Wir stehen

  • zum Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals, einem Milliardenprojekt,
  • zur Elbvertiefung, um dem Hamburger Hafen zu helfen,
  • zum Ausbau der B 5 und
  • zur geplanten Stadt-Regional-Bahn in der Region Kiel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

"gute Wirtschaft" und "gute Arbeit" sind für mich zwei Seiten einer Medaille. Wer arbeitet, will auch davon leben können. Das ist in Deutschland nicht immer der Fall. Deswegen werden wir eine Bundesratsinitiative für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro starten.

Wir werden ein modernes Tarif-Treuegesetz verabschieden. Lohndumping ist nicht nur ein Angriff auf die davon betroffenen Frauen und Männer, sondern auch auf alle ehrlichen Handwerker, Unternehmerinnen und Unternehmer. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, um das einzudämmen. Ebenso werden wir gegen Schwarzarbeit vorgehen.

Die zentrale Herausforderung für unsere Wirtschaft im Lande ist aber der vor der Tür stehende Fachkräftemangel. Keine Infrastruktur der Welt gleicht das Fehlen gut ausgebildeter Nachwuchskräfte aus. Deshalb wird der Wirtschaftsminister noch diesen Herbst zur Gründung eines Fachkräftebündnisses mit dem Namen "Zukunft im Norden" u.a. Sozialpartner, Kammern und kommunale Spitzenverbände einladen. Unser Ziel wird es sein, sehr schnell konkrete Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung zu vereinbaren.

Meine Damen und Herren,

die Europapolitik des Landes ist in den vergangenen Jahren hinter ihren Möglichkeiten geblieben. Es hat keine merkbaren Initiativen gegen. Das ist nicht gut für die hier lebenden Menschen und nicht gut für unsere Wirtschaft. Wir werden das ändern und die Europapolitik und die Ostseekooperation wiederbeleben. Wir wollen an die Zeit von Björn Engholm und Heide Simonis anknüpfen. Rund um die Ostsee finden wir Nachbarn und Märkte. Beides muss gepflegt werden. Ich werde das tun. Besondere Bedeutung wird dabei Dänemark haben. Dänemark ist für uns im Ostseeraum der wichtigste politische und wirtschaftliche Partner. Zudem verbinden uns eine lange gemeinsame Historie und Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze.

Unsere Wirtschaft blickt mit Spannung auf die laufende Debatte zur EU-Förderperiode 2014- 2020. Hier werden wir uns massiv einbringen. Denn durch europäische Entscheidungen werden Förderschwerpunkte und Förderkriterien, die hier vor Ort unmittelbar wirken, festgelegt. Ein Großteil der Gelder, die wir in Schleswig-Holstein ausgeben, kommt aus Brüssel.

IV. Energiewende schaffen

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Der Ausstieg aus der Kernenergie und die Energiewende sind auf dem Papier beschlossen. Vor Bund und Ländern liegt eine Herkules-Aufgabe. Sie wird uns viele Konflikte bescheren, aber auch neue wirtschaftliche Chancen. Schleswig-Holstein kann in Deutschland zum Top-Standort für erneuerbare Energien werden. Wir werden alles dafür tun, damit das gelingt.

Die größte Herausforderung werden wir mit den Stromtrassen haben. Die Wirtschaft sagt beispielsweise, sie könne die nötigen Milliarden-Investitionen nicht stemmen und ruft nach dem Staat. Die Bürgerinnen und Bürger wiederum sind nahezu allesamt für den Atomausstieg, aber niemand will die neuen Stromleitungen in seinem Vorgarten haben. Das alles kann ich verstehen. Aber wenn wir die Energiewende nach dem Sankt-Florians-Prinzip – "Herr verschon mein Haus – zünd andere an" betreiben, wird sie scheitern. Deswegen dürfen Bund und Länder weder vor dem "Wutbürger" noch vor der "Wut-Wirtschaft" einknicken.

Bund und Länder dürfen die Energiewirtschaft nicht aus ihrer Pflicht lassen. Die Energiewirtschaft muss Pläne vorlegen, wie sie die Energiewende nach nachvollziehbaren ökonomisch-rationalen Kriterien angehen will. Sie muss auch klar machen, was das für die Entwicklung des Strompreises für Unternehmen und Bürger bedeutet. Der Strompreis darf nicht der Brotpreis des 21. Jahrhunderts werden.

Die Landesregierung wird die in ihre Zuständigkeit fallenden Planungen zügig vorantreiben. Dabei setzen wir auf maximale Transparenz aller Planungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Sie müssen umfangreich informiert und beteiligt werden. Genauso klar sage ich aber auch, dass am Ende des Tages entschieden werden muss und entschieden werden wird. Die jetzt anstehenden landesplanerischen Entscheidungen zu neuen Windeignungsflächen werden wir sehr schnell auf den Weg bringen.

Meine Damen und Herren,

das, was in diesem Zusammenhang an komplizierten technischen Fragestellungen diskutiert wird, ist nicht weniger als die Schicksalsfrage unserer politischen Generation. Ich kann mir nicht vorstellen, mich vor meine Tochter oder meinen Sohn zu stellen und einzugestehen, wir haben das nicht geschafft. Die Egoismen der Generation Eurer Eltern haben die Energiewende, die möglich war, verhindert. Wir haben nicht gezeigt, wie eine moderne Industriegesellschaft sich anders als mit Kohle oder Atom mit Energie versorgen kann. Wir haben nicht die Innovationskraft unserer Hochschulen genutzt, neue Speicher und Netztechnologien zu entwickeln. Wir haben die Arbeitsplätze moderner energieintensiver Unternehmen nicht an die Westküste bekommen, weil wir vor einer Verneinungsbeteiligung versagt haben.

Meine – wie jede verantwortungsbewusste - Regierung wird sich daran messen lassen, ob wir dieser historischen Aufgabe gerecht werden.

Deshalb lehnen wir unmissverständlich CCS und Fracking ab. Bis zu einem bundeseinheitlichen Verbot wird ein Landesgesetz beides verhindern.

110 KV-Leitungen sollen soweit wie möglich als Erdkabel verlegt werden. Für 380 KV-Leitungen soll dies ebenfalls geprüft werden. Soweit wie möglich wollen wir die Offshore-Trassen bündeln. Zudem wollen wir den Ausbau von Strom- und Wärmespeichern vorantreiben.

Vor allem werden wir aber Beteiligungsformen erarbeiten, die dem oben beschriebenen Grundsätzen entsprechen und die von den Bürgerinnen und Bürgern als ernstgemeinte Teilhabe verstanden wird. Das vierwöchige Auslegen hochkomplexer Unterlagen allein wird diese Erwartung nicht erfüllen.

Damit die Energiewende gelingt, werden wir auch alle relevanten energiepolitischen Kompetenzen in einem Ministerium bei einem Fachminister bündeln. Damit gehen wir voran in Deutschland. Aber auch alle anderen Ressorts sind in der Pflicht, Ihre Beiträge zum Erfolg dieses Projektes zu liefern.

V. Sicherheit in Schleswig-Holstein

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, die Eurokrise und ein Blick nach Griechenland und Spanien machen deutlich, wie wichtig es ist, einerseits eine starke Wirtschaft aber auch einen starken, einen handlungsfähigen Staat zu haben. In der Krise waren viele Banken dankbar, dass der Staat stark genug war, um ihnen unter die Arme greifen zu können.

Im Gegenzug haben die Regierungen mit Verweis auf eben diese Krise gesagt, nun müsse der Staat den Gürtel enger schnallen. Es war aber oft gar nicht unsere Gesellschaft in Gänze, sondern wenige, schwache, nicht von Lobbys gestützte.

Landesblindengeld, Kulturmittel und Gelder für soziale Einrichtungen wurden beispielsweise in Schleswig-Holstein gestrichen. Die Bürgerinnen und Bürger haben verstanden: Geld für die, die viel haben, ist da - für die, die wenig haben, aber nicht. Damit ist der Grund gelegt für eine fundamentale demokratische Legitimationskrise.

Meine Landesregierung wird ein starker und fairer Partner für die Wirtschaft und für die Bürgerinnen und Bürger sein. Wir stehen dafür, dass denen, die wirklich Hilfe brauchen, auch geholfen wird.

Freiheit ist für uns mehr als die Freiheit des Marktes. Niemand soll schutzlos den Kräften des Marktes überlassen werden. Niemand soll schutzlos den Wechselfällen des Lebens wie Krankheit, Alter, Pflege oder Arbeitslosigkeit überlassen werden. Wir reduzieren Solidarität nicht auf bloße Armenfürsorge, denn Almosenempfänger können keine selbstbewussten, mitentscheidenden Staatsbürger und Demokraten sein.

Die Wahrnehmung individueller Freiheit, die demokratische Teilhabe, bedarf materieller Grundlagen. Wir sind daher für Mindestlöhne und für Arbeitsplätze von denen die Menschen leben können, ohne auf ergänzende staatliche Transfers angewiesen zu sein. Wir stehen für faire Chancen von Älteren, Frauen und Zuwanderern auf dem Arbeitsmarkt.

Nur, wer sich sozial abgesichert weiß, wird Risiken eingehen. Nur, wer echte Chancen hat, wird sich anstrengen. Wesensmerkmal unserer Demokratie ist doch der Aufstieg durch gleiche Chancen, durch Teilhabe. Das – und nichts anderes! – ist doch der Kern unserer sozialen Demokratie. Dafür steht diese Koalition.

Danken möchte ich all denen,

  • die unentgeltlich und aufopfernd Familienangehörige pflegen,
  • die ehrenamtlich in den Feuerwehren, Wohlfahrtsverbänden, in Sportvereinen und vielen anderen Organisationen und Einrichtungen arbeiten,
  • die hauptberuflich in Kitas, Schulen, in Alten- und Pflegeheimen arbeiten, nicht auf die Uhr gucken und sich Zeit nehmen für die Menschen, um zuzuhören und zu reden.
  • Ich weiß, dass ihr Anteil am Zustandekommen eines sozialen Schleswig-Holsteins viel größer ist, als es der Anteil des Landes jemals sein könnte.

Die Landesregierung wird sich um eine gute Gesundheitsversorgung kümmern, auch im ländlichen Raum. Das gleiche gilt für die Verbesserung der Pflege von kranken und alten Menschen.

Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser, Mädchenhäuser, Prävention, Landesblindengeld und eine aktive Gleichstellungspolitik gehören für uns zu einem modernen und sozialen Schleswig-Holstein dazu.

Die demografische Entwicklung zeigt: Schleswig-Holstein braucht Zuwanderung! Unser Land braucht jede und jeden, ob mit oder ohne Zuwanderungsgeschichte, um unser Land voranzubringen. Das gilt auch für Menschen, die aus Not aus ihren Heimatländern flüchten. Ich wünsche mir, dass alle Zugewanderte sich in Schleswig-Holstein willkommen fühlen. Dazu werden wir die Kürzungen bei der Migrationssozialberatung zurücknehmen und an der Seite der Kommunen stehen, wenn es um die Erarbeitung von kommunalen Integrationskonzepten oder einer örtlichen Willkommenskultur geht. Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik und werden uns auf der Bundesebene für die doppelte Staatsangehörigkeit ebenso einsetzen wie für ein Aufenthaltsrecht bei nachhaltiger Integration.

Wir stehen auch an der Seite unseres UKSH. Es ist der größte Arbeitgeber im Land und der einzige Träger der medizinischen Maximalversorgung. Wir halten darum am UKSH in öffentlicher Trägerschaft fest. Klar ist auch, dass wir endlich einen einheitlichen Basisfallwert brauchen, damit die Benachteiligung unserer Kliniken aufhört.

Meine Damen und Herren,

diese Regierung wird nicht blind soziale Strukturen zerschlagen. Andererseits geben wir auch keinen Blankoscheck, dass alles so bleiben kann wie es ist. Ebenso wenig führt der Ruf nach mehr Geld vom Staat automatisch zu einem sozialeren Schleswig-Holstein. Der Sozialbereich wird seinen Beitrag zur Konsolidierung leisten müssen. Die Sozialministerin wird sich sehr genau ansehen, wie die Entwicklung der Eingliederungshilfe im bundesdeutschen Vergleich zu bewerten ist. Wenn wir den Weg von der stationären Versorgung hin zur ambulanten nicht endlich erfolgreich gehen, dann wird allein dieser Haushaltstitel den Weg unseres Haushaltes vorbestimmen. Hier wird das Land den Sachverstand der Kommunen suchen und nutzen. Nur wenn wir die für beide Seiten gemeinsam besten Lösungen erarbeiten, werden wir erfolgreich sein.

Meine Damen und Herren,

für die soziale Sicherheit bedarf es auch eines starken Staates. Das gleiche gilt für die innere Sicherheit. Danken möchte ich den Polizistinnen und Polizisten und der Justiz des Landes. Sie sorgen für ein sicheres Schleswig-Holstein. Ihre Schlagkraft haben Polizei und Justiz eindrucksvoll mit der Razzia gegen Rocker-Kriminalität bewiesen. Die Landesregierung unterstützt das ausdrücklich. Wir sind für Null-Toleranz.

Wir werden deshalb entschlossen jede Form der Kriminalität bekämpfen. Dazu brauchen wir eine gut ausgestattete, effizient organisierte und motivierte Polizei. Wir werden deshalb die Kräfte in der Polizei bündeln, um die operative Arbeit, also den Streifen- und Ermittlungsdienst und die Prävention weiter zu stärken.

Unsere Polizei in Schleswig-Holstein arbeitet rechtsstaatlich und hoch professionell. Die Menschen in unserem Land haben allen Grund, ihrer Polizei zu vertrauen und stolz auf sie zu sein. Die Landesregierung wird diese feste Verbindung weiter ausbauen.

VI. Finanzen – Land, Bund, Kommunen

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

diese Koalition steht für ein modernes, konstruktives, die Menschen beteiligendes Politikverständnis. Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen. Wir wissen, dass man Schleswig-Holstein nicht wie ein Abbruchunternehmen führen kann.

Zur Haushaltskonsolidierung gibt es keine Alternative. Die Schuldenbremse wird eingehalten. Das gebietet die Verfassung. Das gebietet die Generationengerechtigkeit.

Ja, es ist richtig, wir verfolgen einen anderen Weg als die bisherige Regierung. Dafür haben wir am 6. Mai eine parlamentarische Mehrheit erhalten. Der fühlen wir uns verpflichtet.

Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Für uns ist die Haushaltskonsolidierung vielmehr Mittel zum Zweck. Denn das Ziel muss doch sein, auch in den Jahren bis 2020 Politik in diesem Land zu gestalten und die Probleme, die das Land hat, zu lösen.

Die Koalitionsparteien bekennen sich ohne Wenn und Aber zur Konsolidierung und zur Schuldenbremse. Nur unser Ansatz, dieses Ziel zu erreichen, der ist anders.

Meine Damen und Herren,

wir sehen es als Daueraufgabe an, die Verwaltung des Landes preiswerter und effizienter zu machen. Staatliche Aufgaben werden zum Teil von Landesbehörden, meist aber von den Kommunen ausgeführt. Wo immer das fachlich geboten ist, werden wir Doppelstrukturen und Doppelzuständigkeiten sowohl innerhalb der Landesverwaltung als auch zwischen Landes- und Kommunalverwaltungen abbauen. Unser Ziel ist, dass jede Aufgabe möglichst auf einer Ebene abschließend erledigt werden kann.

Damit schaffen wir die Voraussetzungen, ausgehend vom Wert 2010 bis 2020 zehn Prozent der Stellen der Landesverwaltung abzubauen bzw. das Personalbudget entsprechend zu reduzieren. Die demografiebedingt zahlreichen Altersabgänge in den kommenden Jahren werden das auch ermöglichen. Ein zentrales Personal-Management, federführend geleitet durch meine Staatskanzlei, wird dieses Projekt als eines unserer zentralen Reformthemen vorantreiben.

Solche Projekte, das weiß jeder, der mal Personalverantwortung in der öffentlichen Verwaltung hatte, brauchen als Partner starke Personalräte. Deswegen werden wir das Personalvertretungsrecht wieder so ausgestalten, dass den Dienststellen Verhandlungs- und Gesprächspartner auf Augenhöhe gegenüberstehen.

Für IT gibt das Land rund 130 Millionen Euro im Jahr aus. Experten schätzen, dass in einigen Bereichen noch bis zu 30 Prozent eingespart werden können. Für mich ist das nur ein Beispiel, das zeigt, wir können die Verwaltung noch preiswerter machen, ohne sie schlechter zu machen. So werden wir uns alle Bereiche der Verwaltung ansehen.

Wir werden EU-Mittel nur ausschöpfen, wenn sie nachweisbar den angestrebten Zielen dienen. Die Ko-Finanzierungen europäischer Programme werden, soweit sinnvoll und möglich, auf Darlehen oder auf private Ko-Finanzierungen umgestellt.

Sobald es möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, werden wir die Beteiligungen des Landes an der HSH-Nordbank werthaltig verkaufen.

Wir wollen die Kooperation mit Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen wieder beleben. Hamburg ist dabei unser "Premiumpartner", die Metropolregion hat Ausstrahl-Effekte auf das ganze Land.

Mit Olaf Scholz haben wir einen Pragmatiker und Realisten an unserer Seite. Wir brauchen die norddeutsche Kooperation, weil wir so Geld sparen, Planungen vereinfachen aber auch unser politisches Gewicht im Bund vergrößern können. Die "Enquete-Kommission Norddeutsche Kooperation" hat sehr viele Vorschläge gemacht, die nicht einfach im Aktenschrank verstauben sollten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ich habe Ihnen einige Punkte genannt, die wir mit den Mitteln des Landes zur Konsolidierung in Angriff nehmen werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass all das nicht reichen wird, um das strukturelle Defizit zu beseitigen. Niemand in diesem Land hat genügend Phantasie, wie das, ohne das Land in Schutt und Asche zu legen, gehen soll.

Ein Großteil unserer finanzpolitischen Misere kann nur durch bundespolitische Entscheidungen verbessert werden. Deswegen werden wir dezidiert in Berlin präsent sein.

Das Land wird zügig Bundesratsinitiativen starten, um die Erhöhung der Einnahmebasis für Land und Kommunen zu erreichen. Hierzu gehören unter anderem eine solidarische Erhöhung der Besteuerung bei Vererbung oder Schenkung großer Vermögen, eine Erhöhung des Steuersatzes für Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdiener und die Einführung einer Vermögenssteuer bzw. Vermögensabgabe zur Finanzierung von Bildungsinfrastruktur.

In Berlin werden wir uns dafür einsetzen, die aus dem Auslaufen des Solidarpakt II frei werdenden Mittel in einen Bildungs-Soli und einen Altschulden-Tilgungsfonds für Länder und Kommunen einzubringen.

Wir brauchen eine weitere Föderalismus-Reform. Die Stichworte lauten: Neukonzeption des Länderfinanzausgleichs, Solidarpakt II-Mittel künftig für Bildung und einen Altschulden-Tilgungsfonds, Hochschullastenausgleich und die Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich.

Meine Damen und Herren,

im Herbst wird die Landesregierung einen Entwurf für das Haushaltsjahr 2013 vorlegen. Dieser wird Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den öffentlichen Schulen enthalten.

Wir schaffen mit dem Haushalt:

  • die Gleichstellung der Schulen der dänischen Minderheit,
  • eine verbesserte Förderung der Schulen in freier Trägerschaft,
  • eine verbesserte Unterstützung der Kommunen bei der Finanzierung der Krippenversorgung,
  • mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Klimaschutz
  • die Wiederaufstockung der Mittel für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen,
  • die Mitfinanzierung der stufenweisen Erhöhung von Ausbildungsplätzen in der Altenpflege und
  • die Wiederaufstockung der Mittel für den ökologischen Landbau.

Zur Finanzierung

  • werden die zur Aufstockung vorgesehenen Mittel für Landesstraßenbau zurückgenommen.
  • Die für das Kommunale Haushaltskonsolidierungsgesetz und die Kommunalisierung der Regionalplanung vorgesehenen Mittel werden in den Landeshaushalt zurückgeführt,
  • der Erdölförderzins wird erhöht und
  • die einzelbetriebliche Investitionsförderung sowie
  • die Zuweisung an Wasser- und Bodenverbände zur Erhebung einer Küstenschutzabgabe werden gestrichen.
  • Andere Maßnahmen werden hinzukommen.

VII. Schluss

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Schleswig-Holstein ist ein wunderbares Land, mit wunderbaren Menschen, mit einer einmaligen Natur und einer großartigen Lebensqualität. Aber es muss auch anständig regiert werden. Das werden wir tun.

Wir werden gute Nachbarn sein, in Deutschland und Europa.

Wir werden weltoffen und tolerant sein.

Wir werden den Schulfrieden wieder herstellen.

Wir werden die Energiewende schaffen.

Wir werden für gute Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand streiten.

Bei uns wird es sozial gerecht zugehen.

Wir werden die Finanzen von Land und Kommunen wieder ins Lot bringen.

Jede gute Idee wird dafür gebraucht. In guter demokratischer Tradition werden wir keine Idee nur deshalb ablehnen, weil sie von der Opposition kommt. Ganz im Gegenteil: Wir fordern CDU, FDP und Piraten geradezu auf, gemeinsam mit uns an der guten Zukunft Schleswig-Holsteins zu arbeiten.

Es ist für mich eine Verpflichtung, dass die Koalition, für die ich stehe, das dafür nötige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erhalten hat.

Es ist für mich eine besondere Verantwortung, die Politik, die die Mehrheit der Menschen von uns erwarten, in den nächsten fünf Jahren auch umzusetzen.

Ich werde all meine Kraft einsetzen, um unser Land gemeinsam mit Ihnen voran zu bringen.

Natürlich weiß ich, dass nicht alle der Antworten, die meine Regierung auf die Herausforderungen der Zeit geben wird, von allen hier im Haus geteilt werden. Aber ich biete Ihnen allen die sehr ernst gemeinte Zusammenarbeit an, den konstruktiven Dialog und einen politischen Stil, der der Vision meiner Regierung gerecht wird: Neue Horizonte für unser Land zu eröffnen.

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