15.11.2012

LANDTAGSREDE: Eine Revision der Landesverfassung steht an

TOP 10 und 21, Stärkung der verfassungsmäßigen Rechte des Landtags und des Volkes / Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (Drucksachen 18/196 und18/307)

Es erstaunt mich zunehmend, dass die Piraten so tun, als hätte es vor ihnen in diesem Lande kein Parlament gegeben. Dem ist ja nicht so: Zwei der drei hier vorgeschlagenen Änderungen der Verfassung sind aus der Vergangenheit hinlänglich bekannt. Sie hören offensichtlich gerne erst einmal, was aus dem Wald herausschallt, und rufen dann hinein.

Wenn der Landtag in einer Entscheidung des Bundes seine Rechte verletzt sieht, muss es dem Landtag möglich sein muss, die Landesregierung zu verpflichten, beim Bundesverfassungsgericht dagegen vorzugehen. Diese Änderung der Verfassung haben SSW, Bündnis 90/Die Grünen und SPD bereits in der vergangenen Wahlperiode beantragt. Wir begrüßen unseren eigenen Vorschlag deshalb nachdrücklich.

Die von den Piraten vorgeschlagene Änderung des Artikels 30 versucht ein Thema aufzugreifen, das sich auch im Koalitionsvertrag und im Regierungsprogramm der Landesregierung wiederfindet. Es ist oft unbefriedigend, wenn Staatsverträge von der Regierung verhandelt werden, das Parlament daran aber nur eingeschränkt beteiligt ist und letztendlich dann nur zustimmen oder ablehnen kann. Deshalb sollten wir nach Wegen suchen, das Parlament noch besser zu beteiligen.

In ihrem Antrag und ihrer Begründung lassen die Piraten aber die bestehende Rechtslage außer Acht, die dem Parlament durchaus Einflussmöglichkeiten auf Staatsverträge verschafft. So verpflichtet unser Parlamentsinformationsgesetz die Regierung, das Parlament frühzeitig und vollständig zu informieren:

  1. Will eine Landesregierung einen Staatsvertrag abschließen, so unterrichtet sie mindestens 4 Wochen vor der Unterzeichnung das Parlament frühzeitig und vollständig.
  2. Ist die Frist zur Behandlung für den Landtag zu kurz, muss die Landesregierung diese verlängern.
  3. Der Landtag informiert die Landesregierung so bald wie möglich, wenn er Einwände hat, die zur Verweigerung der Zustimmung führen könnten.
  4. Gibt der Landtag eine Stellungnahme ab, so berücksichtigt die Landesregierung diese.

Ihre Behauptung, dass zum Zeitpunkt der Beratung des Zustimmungsgesetzes für einen Staatsvertrag regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit der Volksvertreter vorliegt, ist bereits widerlegt: Den Jugendmedienschutzstaatsvertrag hatten alle Ministerpräsidenten unterzeichnet, trotzdem ist er in Nordrhein-Westfalen gescheitert, und auch in Schleswig-Holstein ist ihm nicht zugestimmt worden.

Eine verbesserte Beteiligung des Parlaments ist notwendig. Ob dazu die Verfassung geändert werden muss, bezweifle ich. Wir sollten uns selbstkritisch fragen, wie konsequent wir die vorhandenen Möglichkeiten nutzen.

Zu Ihrem Antrag, dass Verfassungsänderungen von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages und mit der Mehrheit der Abstimmenden des Volkes beschlossen werden müssen, sehen wir äußerst kritisch. Ich habe eine klare Vorstellung vom Sinn und Zweck der repräsentativen Demokratie! Das Zweidrittel-Quorum im Parlament ist eine ausreichend hohe Hürde, die einer Verfassungsänderung im Übrigen auch angemessen ist.

Und ob das Interesse breiter Bevölkerungsgruppen an einigen Verfassungsänderungen wirklich so groß ist, könnten Sie doch mit Ihren Vorschlägen gleich einmal ausprobieren: Sie können doch mit einem Volksbegehren schon jetzt auch ohne Parlament die Verfassung ändern!

Im Übrigen: Wenn Sie Ihren Vorschlag ernst meinen, müssten Sie doch Ihre ersten beiden Anträge zurückstellen und warten, bis der Artikel 40 geändert ist. Das tun Sie aber nicht.

Zu den CDU-Anträgen will ich aus Zeitgründen nur anmerken, dass wir sie im Ausschuss ausführlich erörtern sollten.

Sie berühren Handlungsfelder, die durchaus einer gründlichen Betrachtung bedürfen.

Eine Verfassung ist nichts statisches, sie ist Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Sie muss immer wieder an die gesellschaftliche Wirklichkeit angepasst werden. Seit dem Inkrafttreten hat es deshalb zahlreiche Veränderungen gegeben, die diese Verfassung – sagen wir mal – etwas unübersichtlich gemacht haben.

Und dass es Anlass zu Anpassungen geben könnte, zeigt sich daran, dass alleine in dieser Tagung 7 Änderungspunkte zur Landesverfassung beraten wurden.

Ich meine, wir sollten uns bald die Zeit nehmen, über die Fortschreibung unserer Landesverfassung nachzudenken. Ob das in einem Verfassungsausschuss oder in anderem Rahmen geschieht, sollten wir gemeinsam erörtern.

Und wenn das dann ohne die sonst gelegentlich üblichen Rituale zwischen Opposition und Regierung, ohne Bindung an Koalitionen, unter Hinzuziehung von externem Fachverstand geschieht, könnten wir gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen. Machen wir uns an die Arbeit!

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