28.01.2011

LANDTAGSREDE: Keine Verklärung kommunistischer Irrwege!

Landtagsrede vom 28.01.2011 zu TOP 28, Keine Verharmlosung des Kommunismus (Drucksachen 17/1167 und 17/1225)

Es gibt Diskussionen, die immer geführt werden müssen. Dazu gehört aus sozialdemokratischer Sicht die ständige Herausforderung, wie man die Gerechtigkeit in der deutschen Gesellschaft und weltweit erhöhen kann.

Und es gibt Diskussionen, die wirklich niemand braucht. Die Vorsitzende der LINKEN, Frau Lötzsch, hätte wissen müssen, welche Beißreflexe ihr Beitrag über „Wege zum Kommunismus“ auslösen würde. Auch wenn sie dies in einem Winkelblättchen getan hat, das wahrscheinlich keines der Mitglieder dieses Hauses regelmäßig aus dem Briefkasten holt, gehört schon viel Naivität dazu, um die Steilvorlage nicht zu erkennen, die Frau Lötzsch ihren Gegnern damit geben würde. Schlimmer noch ist der wirre Ansatz ihres Textes, der laufend die Ebenen vermischt und rät, man müsse Wege einfach mal ausprobieren – als ob Menschen und ganze Völker Laborratten seien, die, wenn das Experiment schief geht, halt eingeschläfert werden!

Denn was nützt es denn, darauf hinzuweisen, dass Kommunismus im Verständnis von Marx und Engels eine Zukunftsgesellschaft der Freien und Gleichen ist, in der es keine sozialen Klassen mehr gibt und die deshalb von jeder Form staatlicher Herrschaft frei ist? Da nun gerade viele Machthaber, die sich dieses hehre Ziel auf die Fahnen geschrieben haben, bereit waren, dafür zahllose Opfer an vernichteten oder zerstörten Menschenleben zu bringen, kann es niemanden wundern, dass der Begriff des Kommunismus heute bei den allermeisten Menschen als das genaue Gegenteil von dem aufgefasst wird, was er ursprünglich bedeutete: nämlich als die so genannte Diktatur des Proletariats in ihrer schlimmsten stalinistischen Ausprägung.

Besonders viele Menschen, die vor 1990 in Osteuropa gelebt haben, können den Begriff nicht von der Umsetzung trennen; sie können heute mit dem Wort „Kommunismus“ keine Hoffnungen mehr verbinden, sondern nur Berliner Mauer, Stasi, KGB, Securitate, GULag.

Es ist natürlich legitim, dass Frau Lötzsch von den paradiesischen Zuständen einer Endzeitgesellschaft träumt. Aber je länger ich den Kollegen Kubicki kenne, umso klarer wird mir, dass die Menschheit niemals reif sein wird, um eine solche Gesellschaft aufzubauen.

Wir Sozialdemokraten teilen den Traum vom Kommunismus nicht. Wir setzen darauf, dass die Gesellschaft einen ordnenden Staat braucht, dessen zentrale Aufgabe es ist, die Benachteiligungen der einen und die Privilegien der anderen abzubauen. Die pluralistische Ordnung kann nicht zur Disposition stehen.

Aber es gehört auch zur geistigen Redlichkeit, dass man dem anderen genau zuhört, was er oder sie denn genau meint. Wer ein Zurück zum real existierenden Pseudosozialismus will, kann nicht ernst genommen und muss bekämpft werden. Wer aber ein Ideal vor Augen hat, hat auch einen Anspruch darauf, an diesem Ideal und seinem Weg dorthin gemessen zu werden. Wenn das nicht mehr gilt, muss sich auch jeder Christ tagtäglich nach seinem Verhältnis zu den Kreuzzügen, zur Inquisition, zur Hexenverbrennung oder zur Kollaboration mit den Nazis fragen lassen.

Und gerade angesichts der historischen Vergangenheit Schleswig-Holsteins wird man auch daran erinnern dürfen, dass hierzulande kommunistische Ideen auf weniger Interesse gestoßen sind als andere: bei den Reichstagswahlen kam die KPD nie über 13,3 % hinaus, die NSDAP erreichte schon vor ihrer Machtübernahme über 50 %. Und dass wir nach 1945 immer mal wieder rechte und rechtsextreme Parteien im Landtag hatten, aber nicht mal einen KPD-Abgeordneten, wird auch jedem in Erinnerung sein.

In diesem Sinne legen wir Ihnen einen Antrag vor, der in ähnlicher Form bereits im Berliner Abgeordnetenhaus zur Abstimmung gestanden hat und mit breiter Mehrheit angenommen wurde. Es stünde dem Schleswig-Holsteinischen Landtag gut an, dem Berliner Beispiel zu folgen, statt das ideologische Schattenboxen weiterzuführen, das die Koalitionsfraktionen hier vorgelegt haben.

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