08.09.2010

LANDTAGSREDE: Mit Förderung der Medienkompetenz den Schutz im Netz begleiten

Landtagsrede zu TOP 8, Vierzehnter Rundfunk-Änderungsstaatsvertrag (Drucksache 17/744)

Dieser Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist ein Kompromiss. Und genau darin liegt das Problem. Er versucht etwas in eine Kompromiss-Formel zu bringen, was sich vermutlich unversöhnlich gegenübersteht.

Unzweifelhaft ist, dass im Internet Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten geschützt werden sollen, genauso wie das bei anderen Medienangeboten im Rundfunk, im Fernsehen, in Videotheken und im Kino der Fall ist. In den anderen Medien ist dies allerdings auch deutlich einfacher als im Internet. Es ist richtig, dass ein verantwortungsvoller Jugendmedienschutz einen geschützten Raum für Kinder und Jugendliche im Netz anbieten soll, und das auch wirkungsvoll.

Aber wie ist dies zu erreichen, ohne dass ein zweiter wichtiger Grundsatz, dass nämlich ein wesentlicher Charakter des Internets, die Freiheit und Abwesenheit von Zensur und unnötiger Regulierung, nicht verletzt wird? Wir meinen: Ohne eine große Anstrengung bei der Vermittlung von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen wird das nicht gehen. Und da greift der Vertrag zu kurz, weil er auf technische Maßnahmen setzt.

Was soll passieren: Künftig sollen Internet-Provider ihren Kunden sogenannte Web-Filter anbieten, mit denen sich das Internet so steuern und regulieren lässt, dass eine vermeintlich kindersichere Zone entsteht. Woher sollen diese Filter wissen, was sie durchlassen dürfen? Dafür sollen die Anbieter angeben, für welche Altersstufe die jeweiligen Inhalte geeignet sind. Das kann man über ein sogenanntes Label machen, wie wir es bereits von der FSK für Filme und von der USK für Videospiele kennen. Das soll aber freiwillig geschehen und wer seine Webseite nicht kennzeichnet, muss damit rechnen, vom Filter ausgesperrt zu werden. De facto ist dies letztlich also eine Kennzeichnungspflicht.

Da sind Konflikte programmiert. Und die Interpretationsbreite des Gesetzes ist vielfältig. So steckt in Artikel 5 der Teufel im Detail, wenn der Staatsvertrag Anbietern bestimmter Webangebote die Pflicht auferlegt, Maßnahmen zu ergreifen, wenn auf ihren Seiten Inhalte stehen, die „geeignet“ sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

Jeder, der sich als Eltern um die Beeinträchtigung und Einflussnahme seines Kindes Sorge macht und sich dann vor Augen hält, wie wenig er weiß, was in den digital-medial aufgerüsteten Kinderzimmern so alles passiert, muss verunsichert sein.

Und eine Interpretationsfrage ist auch, was jugendbeeinträchtigend und was jugendgefährdend ist. Klar ist das natürlich bei pornographischen Angeboten. Bei gewaltverherrlichenden Angeboten wird es schon schwieriger. Wie ist es mit z.B. Jurassic Park, wie ist es mit diversen You Tube-Angeboten? Dennoch: Da ist die Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit ein sogenanntes Jugendschutzprogramm gibt, das, einmal installiert, die Alterskennzeichnung rausfiltert. Bisher allerdings gibt es das noch nicht.

Die Anbieter können sich alternativ auch an Sendezeitbeschränkungen halten. Das geschieht, indem sie bestimmte Inhalte nur zu Zeiten online stellen, in denen „Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersgruppe üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen“. Was ist das für eine alte Denke, die hier vom Fernsehzeitalter in die Internetwelt übertragen wird! Alleine die ja durchaus bekannten unterschiedlichen Zeitzonen rund um die Welt werden diesen Ansatz zum Scheitern bringen.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass dies alles nur ein kleiner Teil zur Lösung des Problems sein kann. Das Internet ist nicht zu reglementieren und zu strukturieren, zu filtern und zu überwachen wie ein Fernsehprogramm oder ähnliches. Dennoch muss es möglichst geeignete Maßnahmen geben, um wirklich jugendgefährdende Inhalte aus dem Netz zu entfernen.

Die Frage, wie dieses alles wirklich wirksam funktionieren kann, ist unserer Ansicht nach durch den 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht befriedigend gelöst. Wir glauben, dass es durchaus möglich ist, auf dem Weg zu einem autonomen, aufgeklärten Umgang mit dem Internet auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzgedankens für Kinder und Jugendliche weiterzukommen. Allerdings muss dies so geschehen, dass man nicht mit unklaren und schwer praktikablen Regelungen und noch nicht vorhandenen technischen Möglichkeiten die Eltern mit diesem Problem alleine lässt.

In jedem Fall muss all das, was hier versucht wird, begleitet werden durch gewaltige Anstrengungen im Bereich der Medienpädagogik und der Medienkompetenzförderung, die sich sowohl an Kinder und Jugendliche als auch an Eltern richtet. Das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen.

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