23.03.2011

LANDTAGSREDE: Ausnahmeregelungen überdenken!

Landtagsrede vom 23.03.2011 zu TOP 9, Große Anfrage: Erfahrungen mit der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in Schleswig-Holstein (Drucksache 17/1248)

Zunächst einmal bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien, die an der Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Nichtraucherschutzgesetz mitgewirkt haben.

Die Antwort zeigt: Die Umsetzung des Gesetzes ist in einigen Bereichen nicht vollständig zufriedenstellend. Das liegt an den Mängeln, die das Nichtraucherschutzgesetz in Schleswig-Holstein neben vielen positiven Aspekten eben immer noch aufweist. Und es liegt sicher auch daran, dass die Hausspitze, im Besonderen im Sozialministerium, ihre ganz eigene Einstellung zum Nichtraucherschutzgesetz hat. Hierauf komme ich zurück.

Als wir vor drei Jahren das Nichtraucherschutzgesetz verabschiedeten, war das ein schwieriger Kompromiss zwischen CDU und SPD. Aber: Was in den letzten drei Jahren erreicht wurde, war wirklich ein Paradigmenwechsel beim Nichtraucherschutz, und dies erfreulicherweise, wie die Antworten aus der Großen Anfrage zeigen, auch bei Kindern und Jugendlichen.

Trotzdem zeigt der Bericht auch Defizite auf. Am Anfang des Berichts steht die Feststellung der Regierung, dass es leider für eine umfassende Beantwortung unserer Fragen keine vorbereiteten Datengrundlagen gibt. Denn in unserem Gesetz wurden keine Berichtspflicht und keine Haushaltsmittel verankert. Nun kann man das so zur Kenntnis nehmen, man kann sich allerdings auch fragen, ob ein Gesundheitsminister bei diesem in alle Bevölkerungsgruppen hineinreichenden Gesetz nicht von sich aus Datengrundlagen hätte schaffen und für entsprechende Haushaltsmittel hätte sorgen können.

Aber konzentrieren wir uns auf die Informationen, die trotz dieser für einen Gesundheitsminister erstaunlichen Grundhaltung gegenüber dem Nichtraucherschutz dem Bericht zu entnehmen sind.

Der Bericht bestätigt, dass durch die Rauchverbote ein Paradigmenwechsel erfolgt ist. Weiter wird festgestellt, dass es nicht zu dem anfänglich prognostizierten und vor allen Dingen von der FDP an die Wand gemalten großen Kneipensterben gekommen ist. Vielmehr wird festgestellt, dass auch in der Gastronomie die Umsetzung des Gesetzes weitestgehend geräuschlos vonstatten gegangen ist. Insgesamt wird ein eindeutig positives Fazit gezogen:

Breite Akzeptanz in der Bevölkerung, der beabsichtigte Paradigmenwechsel ist in friedlicher Koexistenz zwischen Rauchern und Nichtrauchern bereits weit fortgeschritten.

Einige statistische Daten können belegen, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Deutschlandweit haben wir noch ca. 30 % Raucher, von den Kindern und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren rauchen 15,4 %. Die Raucherquote bei der Jugend hat im Jahr 2008 damit einen historischen Tiefstand erreicht. Die Akzeptanz des Nichtraucherschutzes ist erstaunlicherweise auch bei den Rauchern selbst grundsätzlich positiv. 2007 gab es noch 53 % Zustimmung bei den Gelegenheitsrauchern, 2010 schon
69 %.

Die Krankenkassen und die Ärzteschaft haben eine grundsätzlich positive Haltung zum Gesetz, bewerten die Ausnahmeregelungen jedoch sehr kritisch. Diese Gruppen votieren für weitreichende Regelungen ohne Ausnahmen, die Ärztekammer Schleswig-Holstein fordert eine Nachbesserung des Gesetzes und spricht sich gegen alle Ausnahmeregelungen aus. Diese betreffen vor allem die Gaststätten. Es wurde darauf hingewiesen, dass mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln Raucherräume niemals hermetisch gegenüber den umgebenden Räumen abgeschlossen werden können. Daher sind Raucherräume nicht mit dem umfassenden Schutz von Nichtrauchern vor Passivrauch vereinbar.

Einen besonderen Aspekt stellen die Auswirkungen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastronomie dar. Hier stellt der Bericht fest, dass die Schadstoffbelastung deutlich zurückgegangen ist. Es ist aber immer noch davon auszugehen, dass im rauchfreien Hauptraum einer Gaststätte mit abgetrenntem Raucherbereich die Partikelkonzentration im Mittel um ca. das Vierfache höher liegt als in einer komplett rauchfreien Gaststätte. Aus der Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist diese Regelung also nach wie vor unbefriedigend.

Bemerkenswert ist besonders aus der Feder eines Gesundheitsministers die Auffassung, die das Gesetz als einen ausgewogenen pragmatischen Kompromiss sieht, der in der Bevölkerung auch zu einem Interessenausgleich und zu einer Befriedung unterschiedlicher grundsätzlicher Positionen geführt hat. Deutlicher kann man sich nicht als Lobbyist ausweisen.

Ich will noch einmal daran erinnern: Das Nichtraucherschutzgesetz ist kein Raucherschutzgesetz und kein Gaststättensicherungsgesetz, auch kein Tabakindustrieförderungsgesetz, sondern eben nichts anderes als ein Nichtraucherschutzgesetz. Es geht um den Schutz der Gesundheit der Menschen, die nicht rauchen wollen, über das Passivrauchen aber gezwungen werden, es zu tun. Es sei denn, sie ordnen ihre Lebensverhältnisse so, dass sie Orte, wo geraucht wird, meiden.

Ich bin der Meinung, dass es in diesem Fall keine Frage des Interessenausgleiches sein darf, sondern einfach eine Frage des Schutzes, der die Nichtraucher, aber auch Kinder und Jugendliche zum Schutzziel hat. Die Formulierung vom fairen Interessenausgleich muss man sich wirklich auf der Zunge oder besser in der Lunge zergehen lassen. Ich glaube, kein Gesundheitsminister eines Landes wird eine solche Positionierung vornehmen, es sei denn, er kommt aus Schleswig-Holstein und von der FDP.

Was gibt es zu tun? Das Gesetz hat positives in Gang gebracht. Die gesetzlichen Regelungen müssen allerdings nach unserer Auffassung nachtariert werden. Am konsequentesten, da gebe ich Frau Bohn recht, die vor einiger Zeit mit ihrer Fraktion schon einen solchen Antrag gestellt hat, wäre es, wenn der Nichtraucherschutz nicht mehr von den Ländern, sondern einheitlich über Bundesgesetzgebung im Rahmen des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz geregelt würde.

Diese würde auch dem Grundsatz des Europäischen Rates zur Rauchfreiheit aller Arbeitsplätze gerecht werden. Damit wären alle Ausnahmeregelungen, die jetzt zum Beispiel in Gaststätten bestehen, hinfällig, sobald dort Menschen berufstätig sind. Dies wäre eine klare, konsequente Regelung. Allerdings sehe ich wenig Bereitschaft auf Bundesebene, dieses Thema in dieser Weise anzupacken.

Deshalb bleibt die Notwendigkeit, das bestehende Gesetz in Schleswig-Holstein nachzubessern. Das bedeutet, dass wir die problematischen Ausnahmetatbestände überdenken. Das betrifft auch die abgetrennten Nebenräume in Gaststätten. Natürlich sind abgeschlossene Nebenräume nicht der beste Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens. Der beste Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens ist und bleibt das grundsätzliche Verbot des Rauchens in Gaststätten. Das gilt auch für die Situation in Diskotheken, in denen, wie der Bericht bestätigt, auch auf Tanzflächen geraucht werden darf, was wir immer kritisiert haben.

Ein weiterer Punkt ist die von uns schon oft beklagte Tatsache, dass auf Kinderspielplätzen kein klares Rauchverbot durchgesetzt werden kann.

Und ein weiteres Ärgernis, leider nun wirklich nur auf Bundesebene zu regeln, sind die Erwachsenen, die am Steuer ihres Autos die Kabine voll rauchen, während die kleinen Kinder auf dem Rücksitz spielen.

Ebenso unbefriedigend ist die Lage in Einkaufszentren, in denen der Nichtraucherschutz außerhalb der Gaststätten aber eben doch im überdachten Bereich nur mit der Einsicht der Eigentümer umgesetzt werden kann.

Die Berichte über die Erfahrungen der Ordnungsbehörden bei der Kontrolle des Nichtraucherschutzgesetzes klingen gut. Trotzdem stehen vielfältige gegenläufige Erfahrungen dagegen: Kneipen, in denen sich niemand darum schert, ob das Gesetz eingehalten wird, Gaststätten, in denen Nebenräume zwar abgetrennt sind, zu denen aber trotzdem Kleinkinder Zugang haben. Oder Gaststätten, in denen z.B. ab 22 Uhr die Aschenbecher auf den Tisch gestellt werden.

All dies zeigt noch einmal, dass eine klare, umfassende Regelung am besten zu erreichen ist, wenn im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes das Rauchen überall dort verboten wird, wo gearbeitet wird. Damit wären wir einen großen Schritt weiter.

Ich will die Erfolge des Nichtraucherschutzgesetzes nicht kleinreden, aber die Große Anfrage macht bei genauem Lesen deutlich, dass es noch Mängel gibt. Der Grundsatz kann nicht sein, dass ein Interessenausgleich zwischen Rauchern und Nichtrauchern, zwischen Nichtrauchern und Gastronomie, zwischen Nichtrauchern und Tabakindustrie gesucht wird. Der Leitgedanke kann nur sein, dass Raucher nur überall dort rauchen dürfen, wo Nichtraucher nicht beeinträchtigt werden.

Und vielleicht haben wir ja bald wieder einen Gesundheitsminister(in), der von sich aus aktiv wird und nicht erst Erkenntnisse sammelt, wenn er vom Parlament einen ausdrücklichen Auftrag erhält.

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